Nachdem Polizisten die beiden Schwarzen Breonna Taylor und George Floyd brutal töteten, flammten in den USA die Black-Lives-Matter-Proteste wieder auf. Diesmal sind sie noch größer als zuletzt und bekommen mehr Rückendeckung aus der ganzen Welt. Die Benachteiligung nicht-weißer Menschen ist aber noch tiefer in unserer Gesellschaft verwurzelt, als die Proteste gegen rassistisch motivierte Polizeigewalt es zeigen. Diese oft unterschwellige und teils unbeabsichtigte Benachteiligung macht auch vor dem Gaming nicht halt.
Schon in der Werbung für Videospiele finden sich rassistische Darstellungen. Das bekannte Beispiel aus der Gaming-Branche ist eine Plakatwerbung für die Playstation Portable aus dem Jahr 2006. Sony bewarb das weiße Modell seiner Konsole mit dem Slogan ”White is Coming“. Illustriert wurde das Plakat mit einem Foto von einem weißen und einem Schwarzen Model. Darauf wurden die Hautfarben der beiden Personen mit dem Aussehen der beworbenen Konsole gleichgesetzt, wobei das weiße Model die Schwarze Person aggressiv angreift.
Auch wenn Sony diese Großplakatwerbung damals nach lauter Kritik schnell zurückgezogen hat, blieb eine Entschuldigung aus. Die Kampagne hätte keine rassistische Botschaft, hieß es vom Unternehmen. Aber wie kann es aber sein, dass die offensichtlich problematische Darstellung von anti-Schwarzer Gewalt als Werbekampagne niemandem auffällt?
Eine Ursache ist hier ist der homogene Aufbau der weiß-dominierten Spielebranche. Wenn ein Team überwiegend oder ausschließlich aus weißen Personen besteht, besteht ein geringeres Problembewusstsein für rassistische Darstellungen. Das bedeutet nicht, dass das Aufzeigen und Lösen von Rassismus allein die Aufgabe von Betroffenen ist. Aber diverser aufgestellte Teams produzieren diese doch deutlich seltener.
Dass die Spieleentwicklung zu einem Großteil weiß ist, ist auch in den Werken selbst bemerkbar. Erst kürzlich geriet das Indiegame ‘Little Devil Inside’ für das Design seiner Gegner in der Kritik. Dieses erinnerte an das rassistische “Blackface”. Auch hier lenkte das Team nach der Kritik ein – hatte die Problematik zuvor aber nicht erkannt.
Fehlende Optionen in Charaktereditoren
Schwarze Figuren werden in Spielen nach wie vor häufig auf negative Stereotype reduziert. So werden zum Beispiel Women of Color immer wieder als vermeintlich “exotisch” und stark sexualisiert dargestellt. Wenn sie zudem als einzige nicht-weiße Figuren im Spiel auftauchen, müssen sie mit diesem Bild als Vertreter ihrer gesamten Race herhalten. Da insgesamt mehr Figuren weiß geschrieben werden, müssen diese diverser dargestellt werden, um sich voneinander zu unterscheiden. Gibt es nur einen einzigen Vertreter von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) im ganzen Spiel, lässt sich leichter auf unterkomplexe Stereotype zurückgreifen.
Spiele mit Charaktereditor könnten zumindest theoretisch für mehr Diversität sorgen. In der Realität sind aber auch dort weiße Figuren der Standard. Nicht nur die zur Auswahl stehenden Hautfarben sind oft begrenzt, sondern auch Gesichter und Haare sind ganz eindeutig auf Weiße zugeschnitten.
Selbst wenn man es schafft, einen Charakter zu erstellen, der nicht wie ein “Mallorca-Urlauber, der am Strand eingeschlafen ist” aussieht, werden Schwarze Figuren anders dargestellt. Die Beleuchtung vieler Spiele-Engines orientiert sich an Fotostandards der 1940er-Jahre, die auf weiße Haut abgestimmt waren. Dunkle Hautfarben werden so sprichwörtlich schlechter in Szene gesetzt als weiße POC werden so vielleicht unbeabsichtigt, aber doch gezielt unsichtbar gemacht.
Obwohl BlPOC einen großen Anteil der Spielenden ausmachen, wird dieser Teil ihres Publikums von vielen Firmen zweitklassig behandelt. Das Anbieten von mehr Auswahloptionen für Hauttöne ist dabei gerade mal das Mindestmaß. An anderen Stellen reicht diese aber oft nicht aus, da gut gemeinte Änderungen nicht unbedingt gut umgesetzt werden.
Gaming while black
Wenn User*innen, die in einem Multiplayer-Spiel das N‑Wort verwenden, automatisch vom Server gebannt werden, klingt das zunächst nach einer sinnvollen Maßnahme. Allerdings hat diese gut gemeinte Funktion auch einen anderen Effekt. PoC, die den Begriff untereinander in einem anderen Kontext verwenden, laufen nun ebenfalls Gefahr gebannt zu werden – von einem System, das gedacht war, sie vor Hatespeech zu schützen. Ein automatisches System, das nur nach bestimmten Wörtern sucht, kann keinen Kontext erkennen. Waren sie bisher im Spiel also Hasskommentaren ausgesetzt, werden sie nun noch für ihren normalen Sprachgebrauch direkt aus dem Spiel entfernt.
Die gelungenen Umsetzungen einer besseren Behandlung von BIPoC im Spielen ist noch kein kein Grund für Euphorie. Die Branche hat noch einen langen Weg vor sich. Aber es besteht die Hoffnung, dass die weltweite Unterstützung der ‚Black Lives Matter‘-Bewegung ein Zeichen dafür ist, dass auch der weiße Teil der Gesellschaft endlich ein Problembewusstsein entwickelt, das sich in dauerhaften gesellschaftlichen Verbesserungen zeigt.
Das abstrakte Wissen, dass Schwarze Menschen es “irgendwie schwerer haben”, reicht dafür natürlich nicht aus. Die Probleme müssen verstanden und konkret angegangen werden. Nur so können bisherige Nachlässigkeiten thematisiert und verbessert werden. Denn oft sind diese Probleme nicht so klar sichtbar, wie die extremen Beispiele von Polizeigewalt.
Darstellung Schwarzer Menschen in Spielen
- Feminist Frequency (Januar 2017): Not Your Exotic Fantasy – Tropes vs. Women in Video Games
- Svenja Borchert (Januar 2020): 50 Shades of White: Schwarze Avatare in Games
- Jeffrey Rousseau (September 2019): Dear Video Game Character Creators: You Still Need Work
Repräsentation im Gaming
- AJ Dellinger (Januar 2020): Game Developers Conference 2020 report reveals developers’ attitudes on diversity in the industry
Gaming while black
- Emmanuel Ocbazghi (April 2018): Gaming while black: How racist trolls are still dominating video games
- Natalie Morris (März 2020): Black women are being targeted with ‘disgusting’ misogynoir in online gaming forums, (Jay-Ann Lopez’ Black Girl Gamers)