Dieses Kurzdossier ist Teil einer umfassenden Recherche zu Destructive Creations. Hier kommt ihr zum Studio-Dossier und zu den Kurzdossiers der anderen Spiele des Studios, Hatred, War Mongrels und Ancestors Legacy.
Spielmechaniken und Setting
IS Defense ist ein “Turret-Survival-Shooter”, das bedeutet, Spieler*innen erschießen aus einem stationären Geschütz Gegnerwellen mit dem Ziel, einen Highscore zu knacken. Die Gegner sollen Soldaten des Islamischen Staats angehören, der laut Fiktion des Spiels ganz Nordafrika erobert hat und nun Europa attackiert. Während Spieler*innen die Rolle eines NATO-Soldaten einnehmen, sind die gegnerischen Soldaten klar arabisch gecodet: Sie tragen Turbane unterschiedlicher Farben und IS-Armbinden. Einige sind mit Dynamit versehen und rennen in einem deutlichen Verweis auf islamistische Selbstmordattentäter*innen auf die Spielfigur zu. Auf dem Startbildschirm tragen die Soldaten schwarze IS-Insignien und schwarze Flaggen mit arabisch anmutender Aufschrift.
Vier Gebiete stehen als bespielbare Karten zur Verfügung, von denen alle bis auf die erste durch Terroristen-Abschüsse freigespielt werden müssen: Sizilien, Spanien, Kroatien und Südfrankreich. Gerade Sizilien als erste Karte, die von arabisch konnotierten Menschen in Schlauchbooten attackiert wird, weist deutlich auf Geflüchtete als Feindbild hin. Sizilien ist, gemeinsam mit Lampedusa, ein Hot Spot voller Camps, den viele Geflüchtete auf dem Weg nach Italien und Europa erreichen oder die von Seenotrettungen angesteuert werden. Es wird regelmäßig von rechten Akteur*innen in der Erzählung von der “Festung Europa”, die von Geflüchteten „überflutet” wird, angeführt.
Eine Siegesbedingung gibt es nicht; jede Partie endet erst mit dem Tod der Spielfigur. Aus dem Tod heraus beobachtet die Kamera anschließend, wie die Terroristen das bis dahin verteidigte Land stürmen; Spieler*innen sterben als NATO-Soldat*in einen nutzlosen Heldentod. Als ruhmreiche Armeen werden in der Hintergrundgeschichte des Spiels Russland und China genannt, die als einzige Erfolge gegen den fiktiven IS erzielen können, indem sie Syrien und den Irak zeitweise zurückerobern.
Rechte Codes
Rechte Codes lassen sich auch in einigen Beschriftungen finden: Zum einen im Spiel selbst, wo freischaltbare Fähigkeiten Namen wie “Berserker” tragen, den hypergewalttätigen Kriegern aus dem oft von rechts umgedeuteten Themenfeld der Wikinger, oder “Spartaner”, deren auf Schilde gemaltes Symbol Λ (Lambda) der übernational agierenden Identitären Bewegung als Erkennungszeichen dient.
Zum anderen finden sich rechte Codes auch in den Errungenschaften des Spiels auf der Vertriebsplattform Steam: In Form der islamfeindlichen Verknüpfung des Durchspielens des angeblich defensiven Spiels mit der Vollendung eines Kreuzzugs oder dem Abfeuern von Raketen auf die Gegner als “Patriot’s Touch”. Besonders sticht jedoch die Errungenschaft für das Töten von 30.000 “Terroristen” heraus mit dem Titel “Jan III Sobieski”:
In Polen sind König Jan III Sobieski und die Rettung Wiens vor der osmanischen Belagerung 1683 ein ganz zentraler und sorgfältig christlich-identitär überlagerter Erinnerungsort, der dort allgemein bekannt und den meisten sehr vertraut ist. Die Verteidigung Wiens 1683 begründet ein weit verbreitetes, insbesondere aber von der Rechten gepflegtes Selbstbild von Polen als Antemurale Christianitatis, als Bollwerk der Christenheit. Dieses Selbstbild wurde im polnisch-sowjetischen Krieg 1919/21 (im Sinne von: Rettung der christlichen Zivilisation gegen einen antichristlich-jüdischen Bolschewismus) reaktiviert und ist auch heute ein wichtiges Argument der politischen Rechten gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Die Anspielung auf Sobieski ist in diesem Kontext ein offen rechter Code, nach dem Polen eine historische und quasi-göttliche Mission zur Wahrung der christlich-europäischen Zivilisation zukommt. Ob gegen ein osmanisches Heer, gegen den IS oder gegen Geflüchtete wird hier austauschbar gemacht und vermischt.
Gerade die Mischung aus Fiktion und realen Akteuren in der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nahen Zukunft von 2020 macht IS Defense zu einem besonders perfiden Spiel. Die unklare Trennung zwischen Globalgeschichte und islamfeindlicher Dystopie gemeinsam mit der Verknüpfung der Verteidigung einer angeblichen “Festung Europa” mit Kreuzzügen und der Verteidigung gegen das osmanische Reich können dazu beitragen, die Erinnerungskultur zu verfälschen.
Community-Inhalte
Auch die Community-Inhalte rund um IS Defense sind klar rechts dominiert: In den positiven Steam-Bewertungen tummeln sich Islamfeindlichkeit, rechte Strohmänner und NS-Anspielungen. Fast alle sitzen dem rechtsradikalen Narrativ der zu verteidigenden “Festung Europa” auf.
Die von User*innen erstellten Modifikationen für IS Defense bringen weitere rechtsextreme Narrative ins Spiel ein oder verfestigen jene, die bereits vorhanden sind. Die einzige derzeit im Steam Workshop verfügbare Mod des Spiels “Craxi Squad – Trump 2016” ist eine kosmetische Mod, die Wahlkampfwerbung für Donald Trumps Präsidentschaftswahl macht. Eine besonders menschenfeindliche Modifikation, “Degeneracy Defense”, war laut Steam-Foren-Kommentaren zunächst gelistet, bevor Aktivist*innen Valve auf ihren rechtsextremen Inhalt aufmerksam machten. Die Mod ersetzt die Gegner des Spiels durch queer gecodete Figuren, antifaschistische Aktivist*innen und andere Feindbilder der Rechtsextremen. Bis heute wird die Mod im Forum aktiv zurück auf Steam gefordert und in den Threads zum Spiel bleiben menschenfeindliche, homo- und islamfeindliche Aussagen dauerhaft unmoderiert.
Nach eigener Aussage im Steam-Forum war Destructive Creations enttäuscht davon, wie wenige Mods schlussendlich entwickelt wurden. Auch der Metacritic-Schnitt von 59 deutet an, dass IS Defense wohl nicht die Reichweite erzielen konnte, die sich die Entwickler*innen erhofft haben. Die bis heute bestehende Aktivität nationalistischer und fundamentalistischer Nutzer*innen im Steam-Forum zeigt jedoch, dass das Spiel seine Zielgruppe dennoch erreicht hat.