“Noch ein­mal, ich werde nicht mit Ter­ror­is­ten ver­han­deln. Die Vorstel­lung, dass ich ein Man­i­fest über mein Sexleben, geschrieben von einem rach­süchti­gen Ex, wider­legen muss, um weit­er­hin ein Teil der Videospielein­dus­trie zu bleiben ist wider­lich, und ich werde es nicht tun.”

Zoe Quinn, Sep­tem­ber 2014

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Teil 1: Wie ein rach­süchtiger Ex einen dig­i­tal­en Mob lostritt

Gamer­Gate-Pro­pa­gan­da-Col­lage von 2014 mit ver­schiede­nen Unter­stützern (links) und erk­lärten Fein­den (rechts); Quelle: 4chan.

Hin­weis: Auf­grund recht­sex­tremer Inhalte ist es vielfach nicht möglich auf Orig­i­nalquellen zu verlinken. 

Die Liste der Ziele von Gamer­Gate wird im Herb­st 2014 immer länger: Schaus­pielerin Feli­cia Day, Spieleen­twick­ler Tim Schafer, Jour­nal­istin Jenn Frank, NFL-Spiel­er Chris Kluwe oder Wikipedia-Mit­grün­der Jim­my Wales wer­den Opfer von Gamer­Gates ent­fes­sel­tem dig­i­tal­en Mob. Diesen bekan­nten Namen ste­hen neben unzäh­lige weniger promi­nen­ten Opfern.

Inzwis­chen bastelt Gamer­Gate weit­er an der eige­nen Mytholo­gie. Bis heute behaupten Gamer­Gater gerne, dass die Bewe­gung ihren Beginn erst am 28. August 2014 gehabt hätte und alle vor­ange­gan­genen Ereignisse damit nichts zu tun hät­ten. Dass lediglich die Bewe­gung ihren Namen einen Tag zuvor erhielt und anson­sten alle Akteure und Meth­o­d­en diesel­ben blieben wie in den Wochen zuvor, wird dabei gerne unterschlagen.

Doch was genau geschah am 28. August 2014, das den Grün­dungsmythos der Kam­pagne entste­hen lässt?

Die Jour­nal­istin Leigh Alexan­der veröf­fentlicht einen Kom­men­tar auf dem pro­fes­sionellen Videospiele­por­tal Gama­su­tra unter dem Titel “Gamers’ don’t have to be your audi­ence. ‚Gamers’ are over.”

Unter dem anhal­tenden Ein­druck der Kam­pagne gegen Zoe Quinn und andere stößt der Artikel auf einige Res­o­nanz in der Fach­presse: Web­sites wie Kotaku, Poly­gon oder Ars Tech­ni­ca greifen Alexan­ders Kom­men­tar auf und veröf­fentlichen ihre eigene Inter­pre­ta­tion der Ereignisse und was sie für die Zukun­ft der Videospiel­e­branche bedeuten könnten.

Für die Gamer­Gater bedeutet dies vor allem eins: Alle diese Artikel, die unter dem bewusst irreführen­den Titel “Gamers are dead” zusam­menge­fasst wer­den, sowie die Web­sites auf denen sie veröf­fentlicht wur­den, sind Teil der Ver­schwörung gegen die alle “Gamer” ankämpfen, deren wahre Vertreter #Gamer­Gate ist.

Statt der faden­scheinig begrün­de­ten Het­zkam­pagne gegen Zoe Quinn sollte dies von nun an der Grün­dungsmythos der Bewe­gung sein. Nach der Logik der Gamer­Gater war jed­er Wider­stand gegen Gamer­Gate Recht­fer­ti­gung für weit­ere Angriffe und Eskalation.

Breitbart betritt die Bühne

Dieser Inter­pre­ta­tion leis­tet vor allem ein neuer Akteur Vorschub: Milo Yiannopou­los, Tech-Jour­nal­ist für die recht­sex­treme Web­site Breitbart.com.

Yiannopou­los sollte sich sogle­ich bei Gamer­Gate beliebt machen, indem er eine ange­bliche Ver­schwörung von Videospiele­jour­nal­is­ten “ent­tarnte”. Ohne jede konkrete Beweise behauptet Yiannopou­los, dass die Google-Gruppe “Game­JournoPros” hin­ter den ange­blich koor­dinierten “Gamers are dead”-Artikeln steckt.

Das es auch hier­für keine Beweise gibt, ist für die Gamer­Gater – wieder ein­mal – irrel­e­vant. Dieser neue Baustein passt in das Image ihrer Kam­pagne. Mit Yiannopou­los und Breitbart.com haben sie einen Ver­bün­de­ten für ihre Kam­pagne gefun­den, während zugle­ich die (nach dem Tod ihres Grün­ders Andrew Bre­it­bart) erfol­glose Web­site eine drin­gend benötigte neue Leser­schaft findet.

Yiannopou­los hat aber vor allem auch mit seinem Tim­ing außeror­dentlich­es Glück, da er in ein Macht­vaku­um vorstößt: Das Pla­nungs­fo­rum, der Cha­traum “Burg­ers and Fries”, geht Anfang Sep­tem­ber 2014 spek­takulär unter. Gamer­Gates Feind #1, Zoe Quinn selb­st, archiviert und veröf­fentlicht Screen­shots und Auss­chnitte aus den Logs des Cha­traums. Daraufhin schließt der tech­nis­che Betreiber, auf deren Servern der Cha­traum gehostet wird, “Burg­ers And Fries” und veröf­fentlicht die voll­ständi­gen Logs.

Sep 06 05.32.03 <willofthe­boss> gamer­gate over she got us

Auch andere Plat­tfor­men ergreifen Maß­nah­men gegen das ausufer­nde Doxxing, Hack­ing und die Bedro­hung und Beläs­ti­gung der GamerGate-Ziele.

Der Betreiber von 4Chan ver­ban­nt die Bewe­gung kom­plett, eben­so zeigen die Soft­ware-Plat­tform Github und das ein­flußre­iche Spiele­fo­rum Neogaf Gamer­Gate die Tür. Erste Presse­berichte über die Vorgänge fügen dem Selb­st­bild der Bewe­gung erhe­blichen Schaden zu.

Unter diesen Umstän­den ent­bren­nt ein Führungsstre­it inner­halb der Bewe­gung, der schnell Opfer fordert: Einige Gamer­Gater der ersten Stunde wie etwa der Inter­net Aris­to­crat, John “Total Bis­cuit” Bain und weit­ere dis­tanzieren sich gegen Ende des Jahres 2014 oder Anfang 2015 teils mehr, teils weniger von Gamer­Gate; andere wer­den mit densel­ben Meth­o­d­en aus der Bewe­gung her­aus­ge­drängt, die zuvor Quinn oder Sar­keesian vor­be­hal­ten waren. Zugle­ich treten neue Akteure auf den Plan.

Die Anti-Feministische Allianz bildet sich

Die Grup­pen, die sich um Gamer­Gate zu scharen begin­nen, eint zuerst vor allem ihre aggres­sive Ablehnung des Fem­i­nis­mus. Ihnen ist nicht ent­gan­gen, dass die Opfer der Bewe­gung vor allem Frauen, Feminist*innen und LGBTQIA+ sowie andere mar­gin­al­isierten Grup­pen sind.

Vor allem die anti-fem­i­nis­tis­chen Ele­mente der soge­nan­nten “Skep­tik­er” und Athe­is­ten etablieren sich schnell inner­halb der Bewe­gung und ver­bre­it­en die Botschaften der Bewe­gung auf Youtube an ihre teils in die Tausenden gehen­den Anzahl an Abon­nen­ten: Neben Phil “Thunderf00t” Mason und TJ “The Amaz­ing Athe­ist” Kirk ist es vor allem Carl “Sar­gon of Akkad” Ben­jamin, der sich als Führungs­fig­ur etabliert. Sie kön­nen vor allem auf ihre zahlre­ichen Abon­nen­ten set­zen und wer­den dadurch schnell zu wichti­gen Stichwortgebern.

Dass zugle­ich Ver­schwörungside­olo­gen wie Alex Jones mit sein­er Plat­tform “Infowars” die Bewe­gung unter­stützen, ist für die selb­ster­nan­nten “Skep­tik­er” dabei kein Problem.

Da diese wie Gamer­Gate vor allem Fem­i­nistin­nen und die so oft beschwore­nen “Social Jus­tice War­riors” im Visi­er haben, ist ihre Unter­stützung wichtiger als Prinzipien.

Noch deut­lich­er zeigt sich das durch die Unter­stützung, die die Bewe­gung aus der “Manos­phere”, der losen, frauen­feindlichen Allianz aus Män­nerrechtlern, Pick­up Artists wie Roosh V und Incels (vor allem in Form des 4chan-Sub­fo­rums /r9k/), erlangt.

Auch Mit­glieder der Deutschen Maskulin­is­ten-Szene, wie etwa Chris­t­ian Schmidt von “Alles Evo­lu­tion” räu­men Gamer­Gate entsprechen­den Platz ein.

Schwieriger einzuord­nen ist die Unter­stützung von Wik­ileaks und dem damals noch in der Ecuado­ri­an­is­chen Botschaft in Lon­don fest­sitzen­den Julian Assange. Diese erregt zunächst nur wenig Aufmerk­samkeit, allerd­ings ist Wik­ileaks ein wichtiger Baustein für die Allianz, die sich um die Bewe­gung sammelt.

Vor allem sind es aber Faschis­ten und Neo-Nazis, die Gamer­Gate unter­stützen.  Am 3. Okto­ber 2015 sol­i­darisiert sich das welt­größte Online­fo­rum der Neo-Nazi-Szene, Storm­front, mit Gamer­Gate. Die Botschaft lässt an Deut­lichkeit nicht zu wün­schen übrig:

Gamer­Gate is wide­ly sup­port­ed by young White men who might oth­er­wise be obliv­i­ous to polit­i­cal mat­ters. This is a per­fect oppor­tu­ni­ty to slow­ly wake them up to the Jew­ish question.

Storm­front­mit­glied „Wake­Up­White­Man”

Vor allem sollte es aber Neo-Nazi-Hack­er Andrew “weev” Auern­heimer sein, der die Bewe­gung begrüßte und unter­stützte. Zwar mate­ri­al­isierte sich dessen Unter­stützung erst Mitte 2015, da Auern­heimer im Gefäng­nis saß, aber als er dann in dem Gamer­Gate-Forum auf der Plat­tform 8chan sein in der Haft gestoch­enes Hak­enkreuz-Tat­too vorzeigt, wird er enthu­si­astisch von anderen Gamer­Gatern begrüßt.

Während diese ver­schiede­nen Grup­pierun­gen ihre Ver­hält­nisse zueinan­der noch aus­loten, bedeutet das allerd­ings noch keine Atem­pause für die Ziele von Gamer­Gate – im Gegenteil.

Erpicht, sich zu posi­tion­ieren, wer­den immer weit­ere Per­so­n­en der Öffentlichkeit Ziele von Gamer­Gates Angrif­f­en: Sie müssen ihre Woh­nun­gen ver­lassen, öffentliche Auftritte absagen, und (manch­mal auch die falschen) wer­den gedoxxt. Ins­beson­dere wer­den sie zunehmend Opfer von “Swat­ting”, der Prax­is, unter Vor­spielung falsch­er Tat­sachen schwer­be­waffnete Polizis­ten zum Haus eines Opfers zu schicken.

Selb­st die Poli­tik­erin Kather­ine Clark, die nach dem immer weit­er um sich greifend­en Swat­ting ein Gesetz dage­gen in den Kongress ein­brin­gen will, wird geswat­tet.

Ein Angriff auf alle Spieleentwickler*innen

Spätestens im März 2015 sollte Gamer­Gate auch den let­zten Anspruch auf die Behaup­tung ver­spie­len,  für Videospiel­er und ihre Inter­essen zu kämpfen. Anges­tachelt von einem ehe­ma­li­gen Spieleen­twick­ler greifen Gamer­Gater auf Social Media in Massen die Teil­nehmer der größten Fachver­anstal­tung für Videospieleen­twick­lung, der Games Devel­op­er Con­fer­ence (GDC), an.

Was diese Aktion erre­ichen soll, ist ver­mut­lich selb­st den Beteiligten unklar. Sie zwingt allerd­ings große Teile der auf der GDC ver­sam­melten Videospielein­dus­trie, sich klar von den nun aus­nahm­s­los an sie alle gerichteten Feind­seligkeit­en zu dis­tanzieren. In der Abschlussver­anstal­tung der GDC verspot­tet der leg­endäre Spieleen­twick­ler Tim Schafer (“The Secret of Mon­key Island”, “Brü­tal Leg­end”) Gamer­Gate unter Gelächter des anwe­senden Pub­likums.

Obwohl dieser Moment ein Wen­depunkt ist, ist die Bewe­gung damit bei weit­em nicht an ihrem Ende angekom­men. Tat­säch­lich sollte er für einige der Opfer niemals enden. Selb­st Jahre später sind sie immer noch Dro­hun­gen der Gamer­Gater aus­ge­set­zt, wie Zoe Quinn in einem Blog­post und dem Buch “Crash Over­ride” doku­men­tiert. Die Attack­en auf Quinn, Sar­keesian und andere flam­men immer wieder auf, wenn die alten Teile der Bewe­gung eine vorgeschobene Recht­fer­ti­gung dafür finden.

Allerd­ings wan­delt sich im Laufe des Jahres 2015 die Strate­gie: Der Schrei nach “Ethics in Video Games Jour­nal­ism” ist vol­lkom­men sin­nentleert und vielfach zu einem Witz gewor­den, er ver­fol­gt inzwis­chen einen anderen Zweck. Der bere­its erwäh­nte Neon­azi Andrew Auern­heimer for­muliert im August 2015 klar und deut­lich, worum es Gamer­Gate geht:

[…] the man is talk­ing down to gamer­gate which is by far the sin­gle biggest siren bring­ing peo­ple into the folds of white nation­al­ism. More peo­ple have been con­vert­ed in the past year by things like images of Ani­ta Sar­keesian being ren­dered as a hap­py mer­chant than were in the three before it.

Andrew “Weev” Auern­heimer in “No defense for Gavin McInnes”, 23.8.2015

Doch er war mit dieser Fest­stel­lung nicht der Erste.

In Teil 3:
Wie Milo Yiannopou­los’ Chef aus der zusam­mengewür­fel­ten anti-fem­i­nis­tis­chen Allianz eine poli­tis­che Bewe­gung schmiedet, deren Weg ins Weiße Haus führt. 

Weit­er­führende Artikel etc.