Das ZDF-Polit­magazin Frontal21 veröf­fentlichte am 19. Novem­ber 2020 einen Beitrag über Rechte, die Gam­ing-Kul­turen unter­wan­dern. Im Vor­feld führten die ver­ant­wortlichen Journalist*innen Inter­views mit Expert*innen, auch mit Mit­gliedern von Keinen Pix­el den Faschis­ten. Der 13-minütige Videobeitrag ist auf Youtube frei ver­füg­bar.

Als Ini­tia­tive Keinen Pix­el den Faschis­ten freuen wir uns sehr darüber, dass das Phänomen recht­sex­tremer Ten­den­zen inner­halb der Gam­ing-Com­mu­ni­ty der­art öffentlichkeitswirk­sam the­ma­tisiert wird. Die Beißre­flexe, die der Beitrag in Teilen der Gam­ing-Szene her­vorgerufen hat, zeigen auf, wie aktuell und notwendig diese Diskus­sion nach wie vor ist. Wie der Keinen Pix­el den Faschis­ten nah­este­hende Kul­tur­wis­senschaftler Chris­t­ian Huberts einord­net, ist nicht jede*r, der*die nach der Arbeit mit ein­er Runde „Call of Duty” den Büroall­t­ag hin­ter sich lassen will, poten­tiell recht­sex­trem. Es gibt jedoch, bedauer­licher­weise, keine kon­se­quente Dis­tanzierung von recht­en Per­so­n­en oder Inhal­ten inner­halb der Gaming-Szene.

Lei­der wur­den in der Doku­men­ta­tion, die an sich selb­st den Anspruch stellt, sich kri­tisch mit genau diesem Aspekt zu befassen, diesen recht­en Per­so­n­en und Inhal­ten Raum gegeben. Alexan­der Kleine und Mar­tin Sell­ner, bei­de führende Köpfe ein­er recht­sex­tremen Organ­i­sa­tion, haben mehrere Minuten Sendezeit erhal­ten, um ihre eigene, men­schen­ver­ach­t­ende Ide­olo­gie zu kol­portieren und Wer­bung für ihre als Videospiel ver­pack­te völkische Pro­pa­gan­da zu machen. Kri­tisch kom­men­tiert wer­den die Aus­sagen der bei­den in der Doku­men­ta­tion nicht, der Beitrag ver­lässt sich stattdessen darauf, dass sich Sell­ners und Kleines Beiträge gegen­seit­ig widerlegen.

Auf­grund antifaschis­tis­ch­er Bemühun­gen ist es gelun­gen, das Iden­titären-Spiel von großen Gam­ing-Plat­tfor­men wie Steam zu ban­nen, sodass seine intendierte Funk­tion als recht­es Pro­pa­gan­da- und Rekru­tierungsmit­tel nicht erfüllt wer­den kann; es ist Teil ein­er recht­en Nis­chenkul­tur geblieben. Durch den Beitrag erhält es nun eine sehr große Plat­tform und Aufmerk­samkeit, genau­so wie die Iden­titäre Bewe­gung selb­st. Wir ver­ste­hen, dass sich um eine dif­feren­zierte Betra­ch­tung des Gegen­standes bemüht wird. Prob­lema­tisch ist jedoch das Nebeneinan­der­stellen von Expert*innen und Betrof­fe­nen mit Män­nern, die nicht nur täglich (struk­turell) anti­semi­tis­che, ras­sis­tis­che, frauen- und queer­feindliche Inhalte ver­bre­it­en, aktiv poli­tis­che Gegner*innen attack­ieren und – wie der Beitrag auch richtig erwäh­nt – mit Recht­ster­ror­is­ten wie dem Atten­täter von Christchurch ide­ol­o­gisch ver­wandt sind. Dadurch wird näm­lich sug­geriert, dass die neo­faschis­tis­che Ide­olo­gie der Iden­titären nur ein­er von vie­len legit­i­men Stand­punk­ten sei, obwohl sie Ursache für Diskri­m­inierung, Het­ze und Gewalt ist.

Das öffentlich-rechtliche Fernse­hen ist Teil ein­er bürg­er­lichen Gesellschaft und sollte demzu­folge nicht jene Posi­tio­nen unter­stützen, die ein­er demokratis­chen Zivilge­sellschaft, in der Men­schen ohne Angst ver­schieden sein kön­nen, diame­tral zuwider laufen.

Schade ist, dass an der – unpassend flap­sig dargestell­ten – Beschäf­ti­gung mit Gamer­Gate ignori­ert wurde, dass Gamer­Gate von Anfang an eine misog­y­ne und antifem­i­nis­tis­che Has­skam­pagne war. Gamer­Gate begann mit der Rachekam­pagne des Exfre­un­des der Videospieleentwickler*in Zoe Quinn. Er veröf­fentlichte pri­vate Nachricht­en, ver­bre­it­ete Falschaus­sagen zu Quinns Spiel „Depres­sion Quest” und Lügen über Quinn, die frauen­feindliche Ressen­ti­ments bedi­en­ten. Dies wurde von ein­er struk­turell sex­is­tis­chen Gam­ing-Com­mu­ni­ty, die sich, wie der Beitrag auch richtig benen­nt, von fem­i­nis­tis­ch­er Kri­tik in ihrer Iden­tität als männliche Gamer ange­grif­f­en fühlten, begeis­tert und dankbar aufgenom­men. Für detail­lierte Infor­ma­tio­nen zu Gamer­Gate ver­weisen wir gerne auf unsere aus­führliche Ret­ro­spek­tive zum The­ma.

Die Behaup­tung, männliche Gamer wür­den sich gegen anti­sex­is­tis­che Inter­ven­tio­nen schlicht „wehren” ver­schleiert die gewalt­täti­gen Aus­maße von Gamer­Gate: die Betrof­fe­nen wie Zoe Quinn, Bri­an­na Wu und Ani­ta Sar­keesian erhiel­ten Mord- und Verge­wal­ti­gungsan­dro­hun­gen, wur­den öffentlich belästigt und sahen sich auf­grund der Veröf­fentlichung ihrer Adressen gezwun­gen, mehrmals den Wohnort zu wechseln.

Es hat uns sehr gefreut zu sehen, dass mit der Stream­erin Sis­sor ein Ein­blick in die Leben­sre­al­ität von Frauen in der Gam­ing-Com­mu­ni­ty gegeben wird. Dass mit ein­er Kri­tik an dem pop­ulären YouTu­ber Mon­tana Black gezeigt wird, wie sehr Sex­is­mus inner­halb der Szene und deren Szene-Größen nor­mal­isiert ist, hal­ten wir eben­falls für wertvoll.

An dieser Stelle wäre es zudem wichtig gewe­sen zu erwäh­nen, dass Sex­is­mus und Antifem­i­nis­mus der Ein­stieg in recht­sradikales Denken sind – aus der Kränkung „Frauen wollen uns unsere Videospiele weg­nehmen” wächst, unter anderem durch aktives Inter­ve­nieren von Rechts, antifem­i­nis­tis­ches Denken, das sich schließlich in Exk­lu­sion und Gewalt artikuliert.

Wir wür­den uns freuen, wenn zukün­ftige Beiträge die Gefahren rechter Pro­pa­gan­da ern­ster nehmen und kri­tis­ch­er kommentieren.

 

Weit­er­führende Lit­er­atur zum Thema

Ebn­er, Julia: Radikalisierungs­maschi­nen. Wie Recht­sex­trem­is­ten die neuen Tech­nolo­gien nutzen, Suhrkamp Nova, Frank­furt 2019.

Nagle, Angela: Kill all Normies. Online cul­ture wars from 4chan and Tum­blr to Trump and the Alt-Right, Zero Books, Alres­ford 2017.

Schwarz, Karo­line: Has­skrieger. Der neue glob­ale Recht­sex­trem­is­mus, Herder, Berlin 2019.

Speit, Andreas und Baeck-Jean-Philipp: Rechte Egoshoot­er: Von der virtuellen Het­ze zum Livestream-Atten­tat, CH. Links, Berlin 2020.

Stege­mann, Patrick und Musyal, Sören: Die rechte Mobil­machung, Econ, Berlin 2019.