Dieses Kurz­dossier ist Teil ein­er umfassenden Recherche zu Destruc­tive Cre­ations. Hier kommt ihr zum Stu­dio-Dossier und zu den Kurz­dossiers der anderen Spiele des Stu­dios, Hatred, IS Defense und War Mon­grels.

Spielmechaniken und Setting

Ances­tors Lega­cy ist ein Echtzeit­strate­giespiel mit mit­te­lal­ter­lichem Set­ting. Spieler*innen blick­en von oben auf die Spiel­welt hinab und kön­nen so auf ein­er Karte ihre Trup­pen, beste­hend aus ein­er Rei­he von unter­schiedlichen Ein­heit­en, wie Bogen­schützen, Schw­ertkämpfern, aber auch quest­be­d­ingten Helden wie Kom­man­dan­ten steuern und sich so durch ver­schiedene Kam­pag­nen spie­len. Die Kam­pag­nen selb­st set­zen sich aus nar­ra­tiv aufeinan­der auf­bauen­den Mis­sio­nen zusam­men, im Zuge der­er jew­eils geg­ner­ische Ein­heit­en bekämpft, Dör­fer oder Lager ein­genom­men oder Ressourcen gesichert wer­den müssen.

Audio­vi­suell ori­en­tiert sich das Spiel dabei ganz offen­sichtlich an klas­sis­chen Bildern vom „düsteren Mit­te­lal­ter”, was sich sowohl im Sound­de­sign, wie etwa den tief ange­set­zten Stim­men der Sprech­er, als auch in der Far­bge­bung der Umge­bung nieder­schlägt. Die Hand­lung spielt sehr oft entwed­er bei Nacht oder schlecht­en Wet­terbe­din­gun­gen, wodurch die Umge­bung fast immer in dun­klen Braun- und Schwarztö­nen gehal­ten wird und so weit­er zur düsteren Atmo­sphäre beiträgt. Auch bei den Tagszene­r­ien dominieren im Sinne dieser Atmo­sphäre meist Braun­töne in der Far­bge­bung. Hinzu kommt außer­dem, dass es unter den han­del­nden Fig­uren keine Frauen gibt und die Män­ner neben der betont tiefen Stimm­lage häu­fig brüllen, schreien oder (vor Schmerz) stöhnen.

Screenshot aus dem Spiel Ancestors Legacy. Man schaut von schräg oben auf ein kleines Zeltlager in einer recht felsigen Umgebung, die stark in Brauntönen gehalten ist. Links im Bild kann man ein Overlay mit dem Titel "Expanding Your Nation" sehen, das einen Tutorialtip enthält, wie Spieler*innen Gebäude bauen können.
Screen­shot aus dem Spiel Ances­tors Legacy.

Frauen und Kinder treten nur als “Zivilis­ten” auf, die als Opfer des Krieges ermordet wer­den, und das Fre­und-/Feind-Bild des Spiels ist eben­falls sim­pel gehal­ten: Spieler*innen bekom­men keine Möglichkeit­en zur Ver­hand­lung oder zur Bee­in­flus­sung der gescripteten Kon­flik­te auf erzäh­lerisch­er Ebene, son­dern wer­den nar­ra­tiv und spielmech­a­nisch dazu ermutigt, sich auf, ihre eigene Frak­tion, die kon­se­quent “Nation” genan­nt wird, zu konzentrieren.

Rechte Codes

Ances­tors Lega­cy kon­stru­iert ein Mit­te­lal­ter, das ganz im Sinn rechter Imag­i­na­tio­nen der Epoche ist. Die Tuto­r­i­al-Mis­sio­nen, die Spieler*innen zwin­gend zu Beginn spie­len müssen, um die anderen Kam­pag­nen freis­chal­ten zu kön­nen, drehen sich um die Ankun­ft nordis­ch­er Krieger, die auf dem Weg zur berühmt-berüchtigten Plün­derung des Klosters Lin­des­farne sind. Schon in diesen ersten paar Mis­sio­nen wird ein Wikinger­bild geze­ich­net, das in erster Lin­ie von aggres­siv­er Männlichkeit geprägt ist. Die han­del­nden Fig­uren sprechen die anderen Krieger fast immer als “broth­ers” an, als Moti­va­tion für ihre Plün­derun­gen wer­den sch­ablo­ne­nar­tig “glo­ry” und Rache präsen­tiert, was wiederum mit Kampf­schreien und sim­plen, heute oft von rechts vere­in­nahmten Schlag­worten wie “Ehre”, “Odin” oder “Val­hal­la” gar­niert wird. Diese aggres­sive Männlichkeit als solche zieht sich auch weit­er durchs Spiel, allerd­ings vari­ieren mit den unter­schiedlichen Kam­pag­nen der Kon­text und die Erzäh­lung, in die sie einge­bet­tet wird.

Die Kam­pagne zum Deutschen Orden in Preußen greift so deut­lich Nar­ra­tive von einem von deutschen Trup­pen beset­zten und zur Kolonie gemacht­en Osteu­ropa auf. Dabei wird vor allem der Gedanke eines Deutschor­densstaats, der im 13. Jahrhun­dert so nicht existierte, stark gemacht. Bere­its im ein­führen­den Vorspann der ersten Mis­sion heißt es so z.B. dass das ulti­ma­tive Ziel des Ordens die Grün­dung seines eige­nen Staats (“the ulti­mate ambi­tion of the Order to cre­ate it’s own state”) gewe­sen sei.

Screenshot aus einer Cutscene von Ancestors Legacy. Im Hintergrund ist eine handgezeichnete Karte zu sehen, während in den Untertitel "the ultimate ambition of the Order was to create it's (sic) own state" zu lesen ist.

Im Fol­gen­den wird dieses Nar­ra­tiv mit dem Pro­tag­o­nis­ten der Questrei­he, Herkus, fort­ge­set­zt, von dem Spieler*innen erfahren, dass er aus “Preußen” stamme und als Jugendlich­er zur Kon­ver­sion zum Chris­ten­tum gezwun­gen, dann im Sinne der “Pro­pa­gan­da” des Ordens weit­er aus­ge­bildet wor­den sei und nun als Deutschor­den­srit­ter in seine Heimat zurück­kehrt, um seinen eige­nen Stamm (“My own”) im Auf­trag des Ordens zu unter­w­er­fen. Auf­fäl­lig dabei ist auch, neben dem offen­sichtlichen Nar­ra­tiv eines deutschen Staats, der u.a. Polen beset­zt, dass hier expliz­it betont wird, dass Herkus zum Katholizis­mus konvertiert.

Screenshot aus einer Cutscene von Ancestors Legacy. Im Hintergrund sieht man eine stilisierte Zeichnung eines Mannes, der auf einem Pferd durch einen Wald reitet. Er trägt eine Rüstung mit enem großen schwarzen Kreuz auf weißem Grund, das ihn als Deutschordensritter zu erkennen gibt. In den Untertiteln ist "My tribe. My own." zu lesen.
Screen­shot ein­er Cutscene aus Ances­tors Legacy.

Dazu passt auch, dass Destruc­tive Cre­ations für Ances­tors Lega­cy offen eine Koop­er­a­tion mit Warhorse Stu­dios, dem Stu­dio hin­ter King­dom Come: Deliv­er­ance, einge­gan­gen ist und so z.B. einen East­er-Egg-Wet­tbe­werb ver­anstal­tet hat, im Zuge dessen sie Warhorse Stu­dios ihre “Broth­ers in arms” nan­nten. (King­dom Come: Deliv­er­ance trans­portierte ein zwar leicht anders aus­gerichtet, aber im Kern ähn­lich nation­al­ro­man­tis­ches Mit­te­lal­ter­bild, das u.a. von Historiker*innen scharf kri­tisiert wurde.)

Die recht­en Codes, die in Ances­tors Lega­cy steck­en, sind damit deut­lich sub­til­er als beispiel­sweise bei IS Defense, weil sie sich v.a. auf ahis­torische Konzepte wie “Nation”, einen “Staat” (im mod­er­nen Sinne) im 13. Jahrhun­dert und Gesellschaftsstruk­turen stützen, die das Mit­te­lal­ter in Europa als vor­rangig weiß, cis-männlich und nicht-queer imag­inieren. Aber auch in sein­er rel­a­tiv­en Sub­til­ität bedi­ent Ances­tors Lega­cy noch immer alle Merk­male rechter Mit­te­lal­ter­bilder, die let­zten Endes immer in nation­al­is­tis­che Ver­gan­gen­heit­serzäh­lun­gen zur Bergrün­dung zeit­genös­sis­ch­er nationaler Iden­titäten mün­den. Ances­tors Lega­cy ist ein klas­sis­ch­er “Wolf im Schaf­spelz”: Ein schein­bar harm­los­es Spiel, das eine pseu­do-mit­te­lal­ter­liche Kulisse benutzt, um sein Stu­dio nach den Skan­dalen durch IS Defense und Hatred nach außen hin reinzuwaschen. Destruc­tive Cre­ations ver­fol­gt damit bei Ances­tors Lega­cy eine Strate­gie, die der His­torik­er Paul Sturte­vant “Schrödinger’s Medieval­ism” nen­nt: Sie benutzen Nar­ra­tive und Sym­bole, die für sich genom­men auch ohne recht­sradikale Inten­tion auf­tauchen und dementsprechend inter­pretiert wer­den kön­nen, weshalb das Spiel auch im Ver­hält­nis als harm­los gilt. Doch gle­ichzeit­ig erzeugt die Dichte dieser Nar­ra­tive und Sym­bole ein Mit­te­lal­ter­bild, das die Kom­plex­ität der Epoche bewusst verz­er­rt und so eine Pro­jek­tions­fläche für rechte Ideen von einem weißen, cis­männlichen Europa, Kreuz­zü­gen und an Gewalt und Bru­tal­ität gekop­pelte Männlichkeit eröffnet.