Wenn ihr oder eine Person, die ihr kennt, von Nazis oder Trollen auf Social Media belästigt wird und ihr nicht wisst, was ihr tun könnt, kann diese Liste mit einigen ersten Schritten helfen. Nicht alle Schritte sind immer sinnvoll, passt sie daher an eure individuelle Situation an.
Erste Hilfe, die ihr im Notfall selbst nutzen oder durch Freund*innen einsetzen lassen könnt, findet ihr im ersten Abschnitt, dem Quick Guide. Danach folgen einige Tipps, wie ihr eure eigene Mental Health während oder nach einem Angriff pflegen könnt, sowie eine Liste an hilfreichen Ressourcen zu Handlungsempfehlungen, Meldestellen und Hilfsorganisationen.
Kennt ihr weitere gute Adressen, an die man sich im Bedarfsfall wenden kann? Habt ihr Tipps oder andere Strategien für Betroffene? Meldet euch gerne bei uns, sodass wir sie hier einbauen können! Unsere Kontaktadresse findet ihr im Impressum.
Quick Guide: Erste Schritte für den Notfall
Hinweis: Nicht alles auf dieser Notfall-Liste ist immer gleichzeitig nötig, das hier ist nur ein sehr knapper Überblick für Dinge, die man schnell und einfach umsetzen kann, selbst wenn die Lage gerade unübersichtlich sein sollte.
Du bist nicht allein!
Wenn ihr auf Social Media unterwegs seid, habt ihr vermutlich Follower, Freund*innen oder eine kleine Community dort, in der ihr euch gerne bewegt und sicher fühlt. Wenn ihr von Trollen oder Rechten angegriffen werdet, scheut euch nicht, eure Umgebung darauf aufmerksam zu machen. Postet den Link zum Tweet, unter dem ihr Hilfe benötigt, bei euren Freunden oder Bekannten, diese helfen euch oft mit Gegenrede aus und können die Aufmerksamkeit der Angreifer ablenken und aufteilen. Ihr könnt auch Aktivismus-Accounts wie LOVE-Storm (@hassstoppen), No Hate Speech DE (@nohatespeechde), Keinen Pixel den Faschisten! (@KeinenPixel_de) oder HateAid (@hateaid) markieren, die euren Beitrag in Ihre professionalisierte Community teilen und euch so Unterstützung verschaffen können.
Nicht diskutieren
Es wirkt im ersten Moment verlockend, weil man sich oft impulsiv verteidigen möchte, aber damit verbraucht ihr im Zweifelsfall nur unnötig Energie, werdet (verständlicherweise) emotional und bietet so früher oder später eine Öffnung, die Trolle und Rechte ausnutzen können und werden. Wenn ihr merkt, dass ihr gerade zum Ziel von rechten Accounts werdet, geht nicht auf ihre Strategie ein und lasst euch in eine Ecke diskutieren. Stattdessen könnt ihr ignorieren, stumm schalten und blocken bis ihr wieder die Oberhand über euren eigenen Kommentarbereich habt.
Quellen blocken
a) Lockerer Blockfinger: Viel hilft hier viel: Solltet ihr einen Angriff zu einer einzelnen Quelle (z.B. einem Streamer, der seine Community aufgehetzt hat) zurückverfolgen können, blockt diese Person und einflussreiche Leute in ihrem Umfeld, die ggf. mithelfen, Öl ins Feuer zu gießen.
b) Blockchain: Solltet ihr von einer klaren Bubble/Followerschaft attackiert werden, kann auch das Browser-Plugin Blockchain (Chrome) eine gute Möglichkeit sein. Damit könnt ihr z.B. alle Leute blocken, die einem anderen Account folgen. (Achtung: Zu exzessive Nutzung kann dazu führen, dass Twitter euren Account kurzzeitig aus Sicherheitsgründen sperrt, durch eine Identitätsbestätigung z.B. per SMS lässt sich der Account aber normalerweise schnell wieder freischalten.)
c) MegaBlock: Alternativ zu Blockchain könnt ihr auch ein Tool wie MegaBlock verwenden, das den*die Autor*in eines Tweets und alle Leute, die diesen Tweet geliket haben, per Knopfdruck blockt. Der Vorteil: Anders als bei Blockchain besteht keine so leichte Gefahr, dass ihr kurzzeitig gesperrt werdet und MegaBlock ist ohne extra Installation im Browser nutzbar.
d) Blocklisten: Von Usern auf Twitter exportierbare Listen geblockter Accounts, die auf einem anderen Account eingespielt werden können. Bekannte Täter und ihre Netzwerke müssen so nicht manuell geblockt werden. Twitter erlaubt im Moment (Stand 13.12.2021) keinen Export und Import von Blocklisten. Falls dieses Feature wieder eingeführt wird, könnt Ihr Aktivismus-Netzwerke wie Keinen Pixel um ihre Blocklisten bitten und diese selbst implementieren.
Eigene Person, Accounts und Informationen schützen
Soziale Netzwerke bieten ein paar Tools an, mit denen man sich selbst von Fremden abschotten kann. In so gut wie jedem Netzwerk gibt es die Möglichkeit, den eigenen Account auf privat zu stellen (bei Twitter: Einstellungen und Datenschutz > Datenschutz und Sicherheit > Zielgruppe und Markierung > Deine Tweets schützen). Helfen kann es außerdem, den Zugang zu den eigenen privaten Nachrichten so zu beschränken, dass z.B. nur noch Leute, denen ihr folgt, euch schreiben können. (Das geht bei Twitter unter Einstellungen und Datenschutz > Datenschutz und Sicherheit > Direktnachrichten) Falls euer Klarname und eure Adresse irgendwo öffentlich einsehbar sind (z.B. im Impressum eines eigenen Blogs) kann es ggf. auch gut sein, diese Informationen offline zu nehmen oder die damit verbundenen Seite für eine Weile privat zu stellen.
Hass nicht selbst lesen
In schlimmen Fällen kann es auch gut sein, eine vertrauenswürdige Person zu bitten, z.B. Kommentare zu sichten (und zu löschen), E‑Mail-Postfächer nach strafbarem Material zu sortieren oder das Blocken per Hand oder das Ausblenden hasserfüllter Antworten zu übernehmen. Ihr müsst euch Hass nicht selbst antun und auch dafür könnt ihr, wenn ihr möchtet, in euren Netzwerken und Freundeskreisen um Hilfe bitten. (Da die möglichen Straftatbestände, die in einer solchen Situation relevant sein könnten, mit denen des Online-Mobbings nahezu identisch sind, findet ihr hier eine Übersicht). Hassbeiträge können außerdem bei der zentralen Meldestelle hassmelden.de sowie bei der Internet-Beschwerdestelle der FSM gemeldet werden.
Mental Health
- Wenn kein direktes Risiko besteht, kann es gut sein, das Stöbern durchs betroffene Netzwerk zu vermeiden und das Handy zur Seite zu legen.
- Freund*innen können z.B. Social Media-Accounts für euch im Blick behalten, damit ihr nicht den Hass selbst lesen müsst.
- Wenn es gerade übel läuft, können auch Kleinigkeiten, mit denen ihr das Gefühl habt, Kontrolle über die Lage (wieder) zu erlangen, helfen: Stellt z.B. 2‑Faktor-Authentifikation für einen Account ein, lasst eure Mitteilungen auf Social Media bewusst filtern, um Hass nicht zu lesen, blockt Trolle, gönnt euch eine kurze digitale Auszeit. Macht das, worauf ihr Lust habt und euch wieder auftankt, wie Freunde treffen, einem Hobby nachgehen, Sport, etc.
- Support-Netzwerke sind nicht nur ganz pragmatisch, sondern auch psychisch wichtig: Wendet euch an Freund*innen und Bekannte, schämt euch nicht dafür, dass ihr online angegriffen werdet, sondern geht damit offen um. Es ist nicht weniger real als auf der Straße belästigt zu werden.
- Telefonseelsorge: Per Telefon 0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123 per Mail und Chat unter https://online.telefonseelsorge.de/
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- Ressourcen-Sammlung von Crash Override (Englisch): http://www.crashoverridenetwork.com/resources.html
- Ressourcen-Sammlung der Games and Online Harrassment Hotline (Englisch): https://gameshotline.org/resources/
- Liste von Hilfsangeboten bei Hass im Netz konkret für den deutschsprachigen (!) Raum (Twitter-Thread von Luca Hammer / @luca, Deutsch): https://twitter.com/luca/status/1195673066581438465
- Telefonseelsorge: Per Telefon 0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123 per Mail und Chat unter https://online.telefonseelsorge.de/
- Ratgeber zu digitaler Gewalt von HateAid: https://hateaid.org/ratgeber/