Verschwörungsmythen nehmen immer mehr Relevanz im öffentlichen Raum ein. Sie finden sich in Form von rechtsextremen Erzählungen, als Grundlage der Reichsbürgerbewegung, bei wissenschaftsfeindlicher Esoterik oder gar einer Mischung aus diesen und anderen demokratiefeindlichen Strömungen auf Demonstrationen, bei Terroranschlägen oder in Parteirethorik.
Eine esoterische Bewegung, die besonders viel Einfluss auf die Öffentlichkeit nimmt, ist die Anthroposophie, denn diese bildet die Grundlage der in Waldorfschulen gelehrten Bildung und kommt somit mit vielen Menschen schon im Bildungsalter in Kontakt. Gerade in den letzten Jahren findet sich die Anthroposophie immer stärker auf Veranstaltungen und Demos der rechten Querfront, die Schulen waren und sind während der Covid-19-Pandemie Brandherde der Ansteckung, da Masken und Impfungen dort als unwirksam oder gar schädlich geleugnet werden. Auch die Medienbildung an Waldorfschulen ist ein Problem, da alles Digitale, und damit etwa auch Videospiele, in der Anthroposophie als schädlich für Kinder angesehen wird. Um das zu beleuchten, haben wir einen Experten befragt. Oliver Rautenberg ist ein deutscher Journalist, Blogger und Podcaster. Er recherchiert bereits seit 2009 zur Anthroposophie, einer esoterischen Weltanschauung nach Rudolf Steiner und befasst sich damit auf seinem Blog und im Podcast Waldorfsalat. Für seine journalistische Arbeit ist er für den Grimme Online Award nominiert worden. Rautenberg lebt mit seiner Familie im Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen.
Das Interview ist sehr ausführlich geworden. Zur besseren Übersicht haben wir die Antworten daher in drei Bereiche gegliedert. Es folgt zunächst eine allgemeine Erklärung zur Anthroposophie und ihrem Verhältnis zu Digitalität und Videospielen. Im zweiten Abschnitt sprechen wir über Waldorfschulen, Medienbildung und Jugendliche, während der dritte Abschnitt die Verbindungen der Anthroposophie zur rechten Querfront abdeckt.
Anthroposophie, Digitalität und Games
Zunächst einmal: Was ist eigentlich Anthroposophie? Und was hat sie mit Waldorf- und Steinerschulen zu tun?
Die Anthroposophie ist eine spirituell-esoterische Weltanschauung. Sie wurde von dem selbsternannten Hellseher und Okkultisten Rudolf Steiner begründet. In ihr vermischen sich christliche Mystik, die Lehren Goethes, die Gnosis, das Rosenkreuzertum sowie Elemente aus Buddhismus und Hinduismus zu einer Art von New-Age-Religion. Die Anthroposophie geht von der Existenz von Reinkarnation und Karma aus und will enge Beziehungen zwischen dem Kosmos und dem Menschen erkannt haben. Durch ihre weite Verbreitung in den Bereichen biologischer Landwirtschaft nach Demeter, der pseudowissenschaftlichen anthroposophischen ‚Medizin‘ und durch die privaten Waldorfschulen gilt sie als größte esoterische Strömung Europas.
Die Waldorfschule wurde von Rudolf Steiner auf Bitten eines seiner Anhänger gegründet, eine Schule für die Arbeiterkinder seiner Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik zu schaffen. Die ‚Waldorfpädagogik‘ ist angewandte Anthroposophie und hat eine spirituelle Erziehung des Menschen zum Ziel.
Ist die Anthroposophie gefährlich? Wenn ja, warum?
Laut dem Religionshistoriker Helmut Zander sind „Verschwörungsmythen die DNA der Anthroposophie“. Diese Gedankenwelt aus geheimen Mächten, unsichtbaren Weltvorgängen und verborgenen Zusammenhängen lädt zum magischen Denken ein. Studien zeigen, dass der Glaube an die eine Verschwörung den Glauben an weitere Verschwörungen nach sich zieht, oder frei nach dem Journalisten Holger Klein gesprochen: „Glaubst Du erst den einen Scheiß, glaubst Du bald auch jeden anderen.“ Magisches Denken führt zu Verschwörungsdenken. Verschwörungsdenken führt zu Staatsablehnung und im schlimmsten Fall zur Offenheit für rechte Positionen. Staatlich finanzierte, ja teils gesetzlich vorgeschriebene Esoterik ist schädlich für eine offene und freie Gesellschaft. Schädlich für die Demokratie.
Wenn anthroposophische „Mediziner*innen“ wirkungslose astrologische Präparate gegen Krebs verschreiben dürfen, wenn Bio-Bäuer*innen auf Globuli statt auf Medizin setzen sollen oder wenn 100.000 Kinder in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach den Wahnvorstellungen eines Hellsehers erzogen werden, ist das gefährlich. Konkretes Beispiel: Zwischen 1 von 500 und 1 von 1000 Masern-Fälle endet tödlich. Durch die auch anthroposophisch geprägte Impfgegnerschaft in Europa ist es der WHO seit Jahrzehnten nicht möglich, diese Bedrohung für Menschenleben zu eliminieren.
Mit ihrer technikfeindlichen, rückwärtsgewandten und medizinkritischen Haltung, ihren demokratiefeindlichen politischen Bestrebungen und ihrem enormen Einfluss auf Wirtschaft und Politik ist die Anthroposophie eine konkrete Bedrohung für demokratische Gesellschaften.
Was hält die Anthroposophie von Videospielen – und anderen Popkulturmedien?
Die Anthroposophie will sich voll und ganz der spirituellen Welt widmen. Die materielle Welt, also alles was sicht‑, fühl- und messbar ist, ist zu vernachlässigen. Daraus entspringt auch eine Ablehnung der Moderne mit all ihren Maschinen und Technologien. Diese Ansichten waren schon zu Steiners Lebzeiten verbreitet, als die Lebensreformbewegung entstand. Diese wollte zurück zur Natur und weg von Industrialisierung und Materialismus. So sorgte sich Rudolf Steiner beispielsweise um das Aufkommen neumodischer Telegraphenmasten, die angeblich die Kommunikation mit „höheren Welten“ stören würde. Eine Ansicht, die man bei Gegner des 5G-Handystandards so ähnlich wiederfindet.
Tatsache ist, dass die Waldorfschulen-Bewegung schon seit rund 80 Jahren Vorbehalte gegen das Fernsehen schürt. Fernsehkonsum ist bei „Waldorf“ traditionell ungern gesehen – bei Hausbesuchen der Lehrkraft ist der Apparat am besten gar nicht vorhanden oder zumindest mit einem Tuch abgedeckt. Anthroposoph*innen behaupten zwar, Bildschirmgeräte nicht verteufeln zu wollen. Zugleich warnen sie aber, der Medienkonsum mache Kindern das „dritte Auge stumpf“, ließe ihre „Seelen verbluten“ und brächte „Tod und Teufel“ ins Haus. Gegen diesen, Zitat, „Medienfaschismus“ brauche es daher Widerstand „im Stile der weißen Rose“ – so liest man es beim Bund der Freien Waldorfschulen noch 2014. Medien als „dritter Weltkrieg“ für das Gehirn.
Diese Technik-Skepsis zieht sich bis in spezielle Medienverträge, die Eltern von Waldorfschul-Kinder unterschreiben sollen. Medien aller Art, insbesondere elektrische und elektronische, sind zu meiden: Kassetten, CDs, MP3s, Hörspiele, Radio, Fernsehen – und natürlich erst recht der Computer und das Internet. Eine Erziehung zur „Medienmündigkeit“, so sieht es der Bund der Freien Waldorfschulen in seinen Medien-Broschüren wie „Struwwelpeter 2.0“, funktioniert am besten durch Medienverzicht. Und das weit über das 14 Lebensjahr hinaus – das Internet könne man Kindern am Ende des dritten Jahrsiebtes, also vor dem 21. Lebensjahr näherbringen. Aber bitte erstmal nur in der Theorie. Dieser Technik-Entzug hat wie beschrieben eine lange Tradition. So berichtet ein ehemaliger Schüler, dass er in den 1980ern wegen seines Sinclair ZX81-Computers (einer der ersten Homecomputer (3,25 MHz, 1024 Bytes RAM, 64x48 Pixel Blockgrafik in Schwarzweiß) von der Lehrerin ein Problem mit seinem „Astralleib“ attestiert bekam. Später stellte sich heraus, dass er Asperger-Autist war.
Die Ansichten der Anthroposoph*innen und des Waldorf-Bundes erscheinen heutzutage unzeitgemäß und reaktionär. Und nicht alle der 255 selbst verwalteten deutschen Waldorfschulen halten sich daran. Einige bieten heute bereits Computerkurse an.
Waldorfschulen, Medienpädagogik und Jugendliche
Viele Kinder und Jugendliche spielen Videospiele – laut Statista 2022 etwa spielen 76% der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren täglich, weitere 10% mindestens einmal die Woche. Wie wird damit an Schulen und Institutionen umgegangen, die der Anthroposophie folgen?
Medienkonsum aller Art ist in Waldorfschulen und ‑Kindergärten verpönt. Diese Haltung bekommt die Elternschaft recht schnell mit oder sie wird mittels Broschüren oder den genannten Medienverträgen darauf hingewiesen. Man fügt sich meistens und passt sich an, wenn man den begehrten Schulplatz will. Die Waldorfschule meint: Der beste Umgang mit Medien aller Art ist ihre Vermeidung – so lange wie es geht. „Solange man wächst“, sagt eine berühmte anthroposophische ‚Medizinerin‘. Das wäre dann zwischen dem 18–20 Lebensjahr.
Natürlich ist es heutzutage immer schwerer, Kinder gerade von Bildschirmmedien fernzuhalten. Nicht selten dürsten Waldorfschüler*innen daher danach, dieselben Serien, Filme und YouTube-Videos zu sehen – und finden Wege, sie zu konsumieren. Die Welt der populären Kultur, der Popkultur also, stellt für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit dar. Waldorfschüler*innen fehlt diese ganze Welt meist völlig. Sie kennen nicht die „guten, alten Fernsehserien“, haben den letzten Blockbuster-Movie nicht gesehen oder wissen nicht, was in den Musik-Charts läuft. Mit dem Internet und seiner Meme- und Remix-Kultur, seinen GIFs und Kurzvideos können die meisten noch weniger anfangen. Nicht selten werden Waldorfschüler*innen daher als weltfremde „Baumschüler“ verspottet. Teils schämen Sie sich auch dafür, in einer von Medien abgeschotteten Welt aufgewachsen zu sein und nicht „mitreden“ zu können, Anspielungen oder Filmzitate nicht zu verstehen. Ich gebe hier zu bedenken, dass sich die wenigsten Kinder ihre Schule selbst aussuchen dürfen – das übernehmen die Eltern. Weder gibt es Grund für Scham noch für Spott.
Wie steht es generell um Medien- bzw. Informationskompetenzbildung an Schulen und Institutionen, die der Anthroposophie folgen?
Medien aller Art aus der „Außenwelt“, also von außerhalb der Anthroposophie, werden kritisch gesehen. Bekannt ist vielen, dass es in Waldorfschulen traditionell keine Schulbücher gibt. Die Schüler*innen schreiben (oder malen) ihr eigenes „Lehrwerk“, in dem sie die Worte und Tafelzeichnungen der Lehrkraft abschreiben. Die Kinder sollen all ihr Wissen nur aus dem Kopf der ihnen vom Schicksal zugeteilten und anthroposophisch ausgebildeten Lehrkraft erhalten. Bis zum 14. Lebensjahr ist es das Prinzip der Waldorfpädagogik, so wenig Fakten wie möglich zu vermitteln. Kinder sollen die Welt bestaunen, aber sie nicht verstehen. Eine Fähigkeit zum kritischen Denken wird ihnen vor der Vollendung des „zweiten Jahrsiebtes“ nicht zugestanden. Fängt zum Beispiel naturwissenschaftlicher Unterricht derart spät an, ist es schwierig, bis zum Abi allen Stoff aufzuholen. Wichtiger ist es der Waldorfschule, die ersten Schuljahre vor allem Mythen, Märchen und alte Sagen, später dann auch Bibeltexte zu behandeln. Eine klare Unterscheidung von Fakt und Fiktion wird dabei oft nicht vorgenommen. So findet sich Rudolf Steiners eigene Evolutionserzählung, nach der die Menschheit aus Atlantis stamme, in Waldorfschulen auch heute noch im Geschichtsunterricht der 5. Klasse. Glauben und Wissen wird nicht scharf getrennt – und soll auch nicht scharf getrennt werden. Dadurch werden Konzepte wie „Glauben“ und „Wissen“ als gleichwertig im Hirn verankert. Diese Art Erziehung ist weder kindgemäß noch zeitgemäß. Die Waldorfpädagogik ist eine Erziehung zur Unmündigkeit.
Warum sind Schulen, die der Anthroposophie folgen, überhaupt scheinbar eine so “erfolgreiche” Alternative für viele Familien geworden?
Die Waldorfschule ist die erste Privatschule Deutschlands. Sie hat den „Markt“ als erste und von Anfang an geprägt. Konzepte wie das gemeinsame Beschulen von Jungen und Mädchen waren damals neu. Die Arbeiterschule der ersten Jahre blieb aber nur kurz bestehen. Seit rund 100 Jahren ist die Waldorfschule nun attraktiv für Eltern, die dem staatlichen Schulsystem kritisch gegenüberstehen und keine Erziehung ihrer Kinder nach „Schema F“ wollen. Waldorf ist ein Refugium geworden für eine „alternative Szene“, aber auch für Akademiker*innen, die über Pädagogik mehr zu wissen glauben als eine Lehrkraft von der „Staatsschule“. Früher war die Waldorf-Szene oft im Ruf, politisch „linksgrün“ orientiert zu sein, heute ist sie zunehmend verschwörungsideologisch und rechtsoffen eingestellt. Das zu zahlende Schulgeld sorgt zudem für eine entsprechende Klientel von Eltern. „Asis“ oder „Ausländer“-Kinder findet man an der elitären Privatschule kaum: 98–99% der Waldorf-Familien haben einen deutschen Pass. Wer also akademische, weiße und wohlhabende Eltern hat, schafft es meist an jeder Schulform. Die Schüler*innen sind erfolgreich nicht wegen, sondern trotz der Waldorfschule. Für rund jedes zweite Kind geht es nicht so gut aus: Die Abbrecherquote ist immens, die Kinder gehen noch vor ihrem Abschluss – oder sie werden gegangen. Zum Abschluss werden nur wenige handverlesene Schüler*innen zugelassen, die dann oft eine besondere „Aufmerksamkeit“ erfahren. So sehen die Abi-Ergebnisse von „Waldorf“ und „Regelschule“ durchaus ähnlich aus. Über die Art der „Pädagogik“, die vorher stattgefunden hat, sagen die Abiturnoten jedoch wenig aus.
Müsste man diese Schulen stärker regulieren?
Teils ja, teils nein. Gesetzliche Ausnahmen für die Waldorfschule, die ja eine staatlich anerkannte Ersatzschule ist, sollten überprüft werden. Auch die Kirchen müssen sich an die staatlichen, wissenschaftlich erarbeiteten Lehrpläne halten. „Waldorf“ jedoch nicht. Ihr ganz eigener Waldorf-Lehrplan basiert auf Hellseherei und widerlegten Konzepte aus der Antike. Die Regelschule hat derlei seit 100 Jahren abgelegt. Dass Wissenschaftsministerien diese Lehrpläne durchwinken, ist ein Skandal.
Die Waldorfschule ist durch Grundgesetz §7 geschützt, und das ist auch gut so. Dort steht über das Gründen von Ersatzschulen:
„Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird.“
Ich bezweifle, dass die Waldorfschulen diese Vorgaben erfüllen. Weder sind die Lehrziele der esoterischen Privatschule identisch zu denen der Regelschule, noch werden Waldorflehrkräfte „wissenschaftlich“ ausgebildet. Das Gegenteil ist der Fall. Nach einem Esoterik-Seminar, dass oft hauptsächlich aus dem Lesen von Texten Rudolf Steiners und wenig pädagogischen Inhalten besteht, dürfen Laien in jedem zweiten Bundesland Kinder unterrichten. Und zwar die ersten 8 Jahre Schuljahre, und das in sämtlichen Fächern. Auch die verbotene Sonderung nach Besitzverhältnissen ist zumindest fragwürdig. Ein Herr Professor mit Geld und Beziehungen ist als Waldorfvater in der Realität oft attraktiver als ein Hartz4-Empfänger, der sich das Schulgeld vom Munde abspart. Der Staat jedoch schaut nur ganz am Ende mal nach den Waldorfschüler*innen – bei den Abschlüssen. Solange die Quoten mit denen der Regelschule vergleichbar sind, wird auf dem Weg zum Abschluss schon alles gut gegangen sein.
Waldorfschulen müssen zwar auch besser reguliert, wichtiger noch aber viel stärker kontrolliert werden. Eine Kontrolle findet in der Praxis jedoch so gut wie nicht statt. Staatliche Untersuchungen in Schweden (2021) und Großbritannien (2020) ergaben, dass 8 von 10 Waldorfschulen in diesen Ländern schlechte Arbeit leisten. Eine Untersuchung der deutschen Schulen, die schon seit den 1980ern in der öffentlichen Kritik stehen, ist überfällig.
In Dingen wie der Personalpolitik, z. B. bei fragwürdigen Waldorflehrkräften, die als Impfgegner, Verschwörungsideologinnen oder Rechte in Erscheinung treten, haben die Behörden jedoch keine Befugnis.
Anthroposophie und rechtsextreme Querfronten
Die Proteste gegen die Corona-Politik der letzten Jahre zeigten häufig Querfrontverflechtungen, welche auch insbesondere in Anthroposophie-Gemeinschaften geteilt wurden. Woran liegt es, dass solche Kampagnen dort so gut wirken?
Die Anthroposophie Rudolf Steiners gilt als der esoterische Arm der Querdenken-Bewegung. Ihre Waldorfschulen, seit Jahrzehnten bekannt als Hochburgen der Impfgegnerschaft, ist heute die Hochburg von QuerdenkerInnen – sowohl in der Elternschaft als auch in der Belegschaft.
Die Grundannahmen der Anthroposophie gleichen denen von Verschwörungserzählungen: Alles folgt einem großen Plan, den nur wenige kennen. Nichts ist so wie es scheint, denn die Wahrheit wird uns vorenthalten. Alles ist mit allen verbunden. Und es gibt immer einen Gut-Böse-Dualismus mit „uns“ (den Eingeweihten) und „denen“ (den Schlafschafen). Die Nähe von Esoterik und Anthroposophie zu Verschwörungsdenken liegt daher auf der Hand.
Das Impfen, vor dem Steiner warnte, es würde uns die Seele austreiben, trägt ebenfalls zu dieser Nähe bei, genau wie Steiners rassistische Ressentiments. So entsteht eine Querfront aus vermeintlich „linksgrünen“ EsoterikerInnen und vermeintlich „staatskritischen Rechten“. Gemeinsam marschieren sie gegen „die da oben“, den Staat und die angeblich gleichgeschalteten „Medien“ an. Beide Gruppen vereint eine gemeinsame ideologische Klammer. Ob sie PACE- oder Reichsfahnen schwenken.
Fundamentalistische und radikale Gruppierungen versuchen immer wieder, mit Videospielen und in Gaming-Communitys bei potenziellen Rekrut:innen wie Jugendlichen anzudocken. ‘Rekrutiert’ die Anthroposophie überhaupt? Und falls ja: Spielen Videospiele, Popkulturmedien und um Popkultur organisierte Internet-Communitys eine Rolle bei der Rekrutierung?
Nein, die Anthroposophie „rekrutiert“ nicht in dem Sinne. Das muss sie auch nicht: In der biologischen Landwirtschaft, in der „alternativen Medizin“ oder bei den freien Schulen war die esoterische Weltanschauung schon immer Vorreiter. Sie haben die „Alternativ-Branche“ in weiten Teilen begründet und haben in diesen Nischen einen festen Platz. Die Waldorfschule und die biologisch-dynamische Landwirtschaft boomen nach wie vor. Allein der Umsatz mit anthroposophischer, meist homöopathisch verdünnter Pseudomedizin stagniert – auch, nachdem Staaten wie Frankreich die Kassenübernahme für Mittel ohne Wirknachweis verweigern.
Die organisierte Anthroposophie in Deutschland hat ein Nachwuchs-Problem. Nach den Skandalen um die esoterische Bewegung in der Pandemie (Stichwort: Querdenken-Demos, Verschwörungsmythen und gefälschte Masken-Atteste) sinken die Anmeldungen in allen Bereichen. Solange Menschen aber weiter bei Alnatura, Demeter, Weleda und Co. einkaufen, ist zumindest die Marktmacht der Anthroposophie gesichert.
Für die „jungen Leute“ versucht man es neuerdings mit YouTube-Formaten, in denen Jung-Anthroposoph*innen versuchen, Rudolf Steiners Schauungen in „höheren Welten“ Das wirkt oft unprofessionell und unbeholfen:
Für viele Anthroposoph*innen sind aber die moderne, komplett technisierte Welt und insbesondere das Internet im wahrsten Sinne „Neuland“.