Wir nehmen in den let­zten Jahren ein Erstarken recht­sex­tremer Posi­tio­nen in der Gesellschaft wahr, das über unter­schiedliche Bere­iche des öffentlichen und pri­vat­en Lebens genährt wird. Einen dieser Bere­iche stellt die Videospielkul­tur dar, inner­halb der­er es vielfältige Aus­drucks­for­men des Recht­sex­trem­is­mus gibt. Nicht ohne Grund haben recht­spop­ulis­tis­che Parteien in Deutsch­land und inter­na­tion­al erkan­nt, dass sich auf Gam­ing-Foren und in Com­mu­ni­tys Anhänger rekru­tieren lassen.

„Willkom­men in der offiziellen Afd Steam Gruppe”, Screen­shot aufgenom­men am 13.05.2020.

Glorifizierung rechter Vergangenheit

Es geht Recht­sex­tremen nicht ein­fach darum, in Videospie­len und Spiel­grup­pen Präsenz zu zeigen. Mit der Vere­in­nah­mung von Spie­len sind ganz bes­timmte Ziele verknüpft. Für Recht­sex­treme sind Videospiele in viel­er­lei Hin­sicht auch eine geeignete Plat­tform, ihre Gesin­nung zu ver­bre­it­en. Dies kann sich etwa bei Spie­len, die um den Zweit­en Weltkrieg ange­siedelt sind, in ein­er Art Glo­ri­fizierung dieser Zeit äußern. In den Com­mu­ni­ties dieser Spiele und auf Steam trifft man des Öfteren auf Spieler*innenprofile, die sich mit Ele­menten der NS-Herrschaft schmück­en, indem sie Namen oder Fotografien von NS-Funk­tionären oder ein­schlägige, teil­weise ver­fas­sungs­feindliche Sym­bole ver­wen­den. Kri­tisiert man diese, wird oft auf eine ange­bliche His­tor­iz­ität ver­wiesen. Mit der Ausrede, man würde nur zitieren, wird eine ver­meintliche “Sach­lichkeit“ genutzt, um unges­traft ras­sis­tis­che Mei­n­un­gen zu äußern oder gle­ich ein­deutig nation­al­sozial­is­tis­ches Gedankengut zu reproduzieren.

Aber auch außer­halb ein­schlägiger Weltkriegs-Set­tings trifft man lei­der ger­ade in Spie­len, die einen Fokus auf Mul­ti­play­er-Duelle haben, immer wieder auf recht­sex­treme Sprache. So wer­den Spieler*innen bei Nieder­la­gen “nach Auschwitz” gewün­scht, und wenn es gut läuft, rollt man “wie deutsche Panz­er” über die Gegner*innen. Begriffe wie das N‑Wort wer­den in diesem Kon­text eben­falls gezielt zur Belei­di­gung und Diskri­m­inierung genutzt.

Wenn ein sprach­lich­er Bezug zur NS-Ide­olo­gie geschaf­fen wird, sei es in einem glo­ri­fizierend-pos­i­tiv­en Bezug auf die Zeit oder einem abw­er­tend-neg­a­tiv­en Bezug auf die Opfer, dann schadet das. Es schadet den Opfern, es schadet ein­er sin­nvollen, kri­tis­chen Auseinan­der­set­zung mit der NS-Zeit und es schadet dem Umgangston inner­halb der entsprechen­den Spiele und Com­mu­ni­ties. Und dabei hil­ft es nur einem: dem Hass.

Recht­sex­tremes Steam-Pro­fil. Screen­shot aufgenom­men am 13.05.2020.

Werben für den Hass

Neben dem Ver­bre­it­en der recht­en Gesin­nung ist auch das aktive Wer­ben für die eigene Szene ein wichtiges Ziel recht­sex­tremer Spieler*innen. Bei den meis­ten Videospie­len sieht man die Mitspieler*innen nicht und kann sich kein direk­tes Bild von ihnen machen, ihre Mimik, Gestik und bei schriftlich­er Kom­mu­nika­tion auch ihre Stimm­lage nicht kor­rekt ein­schätzen. Recht­sex­treme nutzen diesen Vorteil und ver­suchen meist sehr sub­til um Zus­tim­mung für ihre Szene zu wer­ben, ohne sich selb­st als Recht­sex­treme zu ver­rat­en. So wird oft über Humor getestet, inwiefern Mitspieler*innen offen für das eigene Gedankengut sind, ohne dabei die eigene Gesin­nung zweifels­frei offen zu leg­en. Bei zu viel Gegen­wehr war dann “alles nur ein Witz”. Erst nach­dem eine grund­sät­zliche Akzep­tanz für rechte Posi­tio­nen oder eine Tol­er­anz gegenüber der Intol­er­anz aus­gelotet wurde, wird aktiv um Zus­tim­mung für die eigene Posi­tion gewor­ben. So kön­nen rel­a­tiv schnell größere rechte oder nach recht­saußen offene Net­zw­erke entste­hen, über welche dann auch abseits des Spiels entsprechen­des Mate­r­i­al ver­bre­it­et wer­den kann und in denen auch Extrem­is­mus Zus­tim­mung find­et. Gute Beispiele dafür sind unzure­ichend mod­erierte Foren, in denen oft „poli­tis­ch­er Con­tent“ nicht erwün­scht ist, ras­sis­tis­che oder sex­is­tis­che Witze jedoch nicht als solch­er wahrgenom­men wer­den. Oder auch Meme-Sam­mel­seit­en wie pr0gram oder bes­timmte Sub­red­dits, auf denen die Nutzung des N‑Worts fast schon zum guten Ton gehört.

Recht­sex­treme spie­len also nicht nur “für sich”, son­dern prak­tizieren in Videospie­len, die sozialen Kon­takt zulassen, häu­fig auch ein gezieltes Wer­ben für die eige­nen Posi­tio­nen. Die beson­dere Tücke daran ist die oft indi­rek­te Form der Bee­in­flus­sung: Rel­a­tiv klare Fälle wie das Ver­wen­den eines Nick­names oder Pro­fil­bildes mit offen recht­sex­tremem Hin­ter­grund sind dabei eher in der Unterzahl. Solche Spieler*innen wür­den zum einen von vorn­here­in abschreck­end auf Unbe­darfte wirken, wom­it das Ziel des Wer­bens um die eigene Posi­tion hin­fäl­lig wäre. Außer­dem wür­den sie sich damit direkt öffentlich angreif­bar machen und somit schneller geban­nt wer­den. Aus diesem Grund treten Rech­sex­treme inner­halb von Videospiel-Com­mu­ni­tys meis­tens so auf, dass sie für Leute inner­halb der eige­nen Szene direkt zu erken­nen sind, für Leute von außer­halb aber eben nicht. Inter­na­tion­al wird das als „Dog­whistling“ beze­ich­net, nach der Hun­depfeife, deren hoher Ton von den Tieren gehört wer­den kann, von Men­schen aber nicht. Dafür benutzen sie Codes und Chiffren, Ersatzsym­bole für das, was sie eigentlich präsen­tieren wollen. In Namen kann dies über das Ver­wen­den bekan­nter Abkürzun­gen (AH = Adolf Hitler, HH = Heil Hitler, 18 (= AH) = Adolf Hitler, SS in Runen­form usw.) ablaufen. Auch Namen wie “Adler­horst” wirken auf den ersten Blick harm­los; erst mit dem Kon­text, dass dies der Name eines Führerhaup­tquartiers in Hes­sen war, wird der NS-Bezug deut­lich. Das­selbe gilt dabei für Pro­fil­bilder, die nicht über ein­deutige Sym­bole wie Hak­enkreuze oder Sieges­runen, son­dern über sub­tilere Aspek­te (z.B. die Far­bkom­bi­na­tion Schwarz-Weiß-Rot, die von rechts über­nomme­nen Memes „Pepe“ oder „Deus Vult“ oder Insignien aus dem ersten Weltkrieg) einen Hin­weis auf die eigene Gesin­nung geben.

In der recht­en Steam­gruppe „Deutsche Sol­dat­en” wird vor der Löschung von Nazi-Pro­filen gewarnt. Screen­shot aufgenom­men am 13.05.22020.

Angriffe und Verschwörungen

Noch viel prob­lema­tis­ch­er wird es, wenn recht­sex­treme Spieler*innen diese auss­chließlich selb­st­präsen­tierende Welt ver­lassen und ihr Gedankengut in ihrem Ver­hal­ten gegenüber anderen Per­so­n­en aus­drück­en. Dieses beste­ht näm­lich in der Diskri­m­inierung und Aus­gren­zung ander­er: Anti­semitismus, Ras­sis­mus oder Antifem­i­nis­mus ste­hen hier­bei an der Tage­sor­d­nung. Sie sind Hauptbe­standteil recht­sex­tremer Agen­den – eine Grun­dan­nahme, dass bes­timmte Per­so­n­en­grup­pen weniger wert sind als andere ist schließlich Grund­lage recht­en Has­s­es. Diese Aus­gren­zung kann ganz offen und oft ohne Wider­stand geschehen, etwa durch das Repro­duzieren gängiger sex­is­tis­ch­er und ras­sis­tis­ch­er Klis­chees, die immer noch als „All­ge­mein­wis­sen“ oder anek­do­tisch gut genug belegte „Mei­n­ung“ von vie­len Spieler*innen kom­men­tar­los hin­genom­men wer­den. Darunter zählt die Mär vom Fake-“Gamergirl“, das nicht spie­len kann, son­dern nur Jungs beein­druck­en will, oder der Asi­ate, gegen den man sowieso immer ver­liert, weil er den ganzen Tag nur vorm PC sitzt oder Teil ein­er E‑S­ports-Liga ist, die er nicht preisgibt.

Hass wird also auch dort in Argu­mente ver­packt, wo er für Men­schen ohne rechte Ten­denz ver­meintlich nicht ein­mal im Ansatz hinein­passt. Oft passiert das, indem eine “passende” Ver­schwörungs­the­o­rie an das entsprechende The­ma gekop­pelt wird, wie der irrige Glaube, die Videospielin­dus­trie sei gegenüber ein­er finanziell ein­flussre­ichen „Social Jus­tice Warrior“-Lobby eingeknickt. Solche Behaup­tun­gen wer­den sowohl inner­halb von Videospie­len selb­st (z.B. durch has­ser­füllte Chat­nachricht­en oder massen­hafte Mel­dun­gen in Report­funk­tio­nen) geteilt als auch außer­halb durch das Ver­bre­it­en von Has­skom­mentaren in Debat­ten über Videospiele. So zeigte sich etwa bei der Debat­te um weib­liche Gen­eräle bzw. Sol­datin­nen in Bat­tle­field 1 und Rome II struk­turi­ert­er Antifem­i­nis­mus, der unter dem Deck­man­tel his­torisch­er Authen­tiz­ität recht­sex­tremes Gedankengut ver­bre­it­ete. Das­selbe galt eben­falls bei der Debat­te um die Darstel­lung des “weißen” Mit­te­lal­ters in King­dom Come: Deliv­er­ance, in welch­er aktiv argu­men­tiert wurde, warum es gut und richtig sei, dass in diesem Spiel keine Men­schen mit dun­kler Haut­farbe auftreten.

Rechte Neg­a­tivre­view aus dem Review­bomb­ing zu Rome II, inklu­sive ‚Hexenjagd’-Narrativ. Screen­shot aufgenom­men am 13.05.2020.

Nur ein Ausblick

Die For­men virtuellen Recht­sex­trem­is­mus‘ sind vielfältig und oft­mals auch nicht immer sofort zu erken­nen. Dadurch bieten sich Recht­sex­tremen ver­schiedene Wege, eigene Kom­mu­nika­tion­sräume zu schaf­fen und gezielt um Unter­stützung der eige­nen Ide­olo­gie zu wer­ben. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, sich Faschist*innen klar ent­ge­gen­zustellen, wo man sie erken­nt. Dieser Artikel liefert einen kurzen Abriss dessen, was Has­streibende in Online-Com­mu­niys, Foren und auf Social Media-Plat­tfor­men aus- und erkennbar macht. Er soll als Start dienen, nicht als vol­lum­fassender Leit­faden zur Bes­tim­mung. Die For­men des Has­s­es sind vielfältig, wan­deln sich mit den tech­nis­chen Möglichkeit­en und sind oft nur mit einem geübten Auge zu erken­nen. Wir bleiben wach­sam, um für eine vielfältige Gam­ingkul­tur zu einzuste­hen und Hass aus unseren Gemein­schaften zu ver­ban­nen. Und wir hof­fen, dass ihr das mit diesem Anstoß eben­falls tut.

 

Weit­er­führende Links
Amadeu-Anto­nio-Stiftung (Hrsg.): Gam­ing und Hate Speech: Com­put­er­spiele in zivilge­sellschaftlich­er Per­spek­tive. 2015. Amadeu-antonio-stiftung.de. (https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gaming-internet‑1.pdf)

Körn­er, Erik: Das Spiel mit Rechts. 2020. akduell.de. (https://www.akduell.de/home/schwerpunkt/das-spiel-mit-rechts)

Rödl, Jakob: Recht­sex­trem­is­mus in Onlinegames. 2014. Spieleratgeber-nrw.de. (https://www.spieleratgeber-nrw.de/Rechtsextremismus-in-Onlinegames.3811.de.1.html)

Schwarz, Karolin: Rechter Hass und die Gam­ing-Kul­tur. 2020. Netzpolitik.org. (https://netzpolitik.org/2020/rechter-hass-und-die-gaming-kultur-hasskrieger-karolin-schwarz/)

Smar­zoch, Raphael: „Recht­sex­treme prof­i­tieren von unmod­erierten Plat­tfor­men“ – Chris­t­ian Huberts im DLF Cor­so. 2020. deutschlandfunk.de. (https://www.deutschlandfunk.de/radikalisierung-durch-computerspiele-rechtsextreme.807.de.html?dram:article_id=466275)

Sten­dera, Karolin: „Weniger über Überwachung reden“ – Pia Sten­dera im Inter­view mit Jörg Friedrich. 2019. Taz.de. (https://taz.de/Spieleentwickler-ueber-Rechtsextremismus/!5633920/)