Wir nehmen in den letzten Jahren ein Erstarken rechtsextremer Positionen in der Gesellschaft wahr, das über unterschiedliche Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens genährt wird. Einen dieser Bereiche stellt die Videospielkultur dar, innerhalb derer es vielfältige Ausdrucksformen des Rechtsextremismus gibt. Nicht ohne Grund haben rechtspopulistische Parteien in Deutschland und international erkannt, dass sich auf Gaming-Foren und in Communitys Anhänger rekrutieren lassen.
Glorifizierung rechter Vergangenheit
Es geht Rechtsextremen nicht einfach darum, in Videospielen und Spielgruppen Präsenz zu zeigen. Mit der Vereinnahmung von Spielen sind ganz bestimmte Ziele verknüpft. Für Rechtsextreme sind Videospiele in vielerlei Hinsicht auch eine geeignete Plattform, ihre Gesinnung zu verbreiten. Dies kann sich etwa bei Spielen, die um den Zweiten Weltkrieg angesiedelt sind, in einer Art Glorifizierung dieser Zeit äußern. In den Communities dieser Spiele und auf Steam trifft man des Öfteren auf Spieler*innenprofile, die sich mit Elementen der NS-Herrschaft schmücken, indem sie Namen oder Fotografien von NS-Funktionären oder einschlägige, teilweise verfassungsfeindliche Symbole verwenden. Kritisiert man diese, wird oft auf eine angebliche Historizität verwiesen. Mit der Ausrede, man würde nur zitieren, wird eine vermeintliche “Sachlichkeit“ genutzt, um ungestraft rassistische Meinungen zu äußern oder gleich eindeutig nationalsozialistisches Gedankengut zu reproduzieren.
Aber auch außerhalb einschlägiger Weltkriegs-Settings trifft man leider gerade in Spielen, die einen Fokus auf Multiplayer-Duelle haben, immer wieder auf rechtsextreme Sprache. So werden Spieler*innen bei Niederlagen “nach Auschwitz” gewünscht, und wenn es gut läuft, rollt man “wie deutsche Panzer” über die Gegner*innen. Begriffe wie das N‑Wort werden in diesem Kontext ebenfalls gezielt zur Beleidigung und Diskriminierung genutzt.
Wenn ein sprachlicher Bezug zur NS-Ideologie geschaffen wird, sei es in einem glorifizierend-positiven Bezug auf die Zeit oder einem abwertend-negativen Bezug auf die Opfer, dann schadet das. Es schadet den Opfern, es schadet einer sinnvollen, kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und es schadet dem Umgangston innerhalb der entsprechenden Spiele und Communities. Und dabei hilft es nur einem: dem Hass.
Werben für den Hass
Neben dem Verbreiten der rechten Gesinnung ist auch das aktive Werben für die eigene Szene ein wichtiges Ziel rechtsextremer Spieler*innen. Bei den meisten Videospielen sieht man die Mitspieler*innen nicht und kann sich kein direktes Bild von ihnen machen, ihre Mimik, Gestik und bei schriftlicher Kommunikation auch ihre Stimmlage nicht korrekt einschätzen. Rechtsextreme nutzen diesen Vorteil und versuchen meist sehr subtil um Zustimmung für ihre Szene zu werben, ohne sich selbst als Rechtsextreme zu verraten. So wird oft über Humor getestet, inwiefern Mitspieler*innen offen für das eigene Gedankengut sind, ohne dabei die eigene Gesinnung zweifelsfrei offen zu legen. Bei zu viel Gegenwehr war dann “alles nur ein Witz”. Erst nachdem eine grundsätzliche Akzeptanz für rechte Positionen oder eine Toleranz gegenüber der Intoleranz ausgelotet wurde, wird aktiv um Zustimmung für die eigene Position geworben. So können relativ schnell größere rechte oder nach rechtsaußen offene Netzwerke entstehen, über welche dann auch abseits des Spiels entsprechendes Material verbreitet werden kann und in denen auch Extremismus Zustimmung findet. Gute Beispiele dafür sind unzureichend moderierte Foren, in denen oft „politischer Content“ nicht erwünscht ist, rassistische oder sexistische Witze jedoch nicht als solcher wahrgenommen werden. Oder auch Meme-Sammelseiten wie pr0gram oder bestimmte Subreddits, auf denen die Nutzung des N‑Worts fast schon zum guten Ton gehört.
Rechtsextreme spielen also nicht nur “für sich”, sondern praktizieren in Videospielen, die sozialen Kontakt zulassen, häufig auch ein gezieltes Werben für die eigenen Positionen. Die besondere Tücke daran ist die oft indirekte Form der Beeinflussung: Relativ klare Fälle wie das Verwenden eines Nicknames oder Profilbildes mit offen rechtsextremem Hintergrund sind dabei eher in der Unterzahl. Solche Spieler*innen würden zum einen von vornherein abschreckend auf Unbedarfte wirken, womit das Ziel des Werbens um die eigene Position hinfällig wäre. Außerdem würden sie sich damit direkt öffentlich angreifbar machen und somit schneller gebannt werden. Aus diesem Grund treten Rechsextreme innerhalb von Videospiel-Communitys meistens so auf, dass sie für Leute innerhalb der eigenen Szene direkt zu erkennen sind, für Leute von außerhalb aber eben nicht. International wird das als „Dogwhistling“ bezeichnet, nach der Hundepfeife, deren hoher Ton von den Tieren gehört werden kann, von Menschen aber nicht. Dafür benutzen sie Codes und Chiffren, Ersatzsymbole für das, was sie eigentlich präsentieren wollen. In Namen kann dies über das Verwenden bekannter Abkürzungen (AH = Adolf Hitler, HH = Heil Hitler, 18 (= AH) = Adolf Hitler, SS in Runenform usw.) ablaufen. Auch Namen wie “Adlerhorst” wirken auf den ersten Blick harmlos; erst mit dem Kontext, dass dies der Name eines Führerhauptquartiers in Hessen war, wird der NS-Bezug deutlich. Dasselbe gilt dabei für Profilbilder, die nicht über eindeutige Symbole wie Hakenkreuze oder Siegesrunen, sondern über subtilere Aspekte (z.B. die Farbkombination Schwarz-Weiß-Rot, die von rechts übernommenen Memes „Pepe“ oder „Deus Vult“ oder Insignien aus dem ersten Weltkrieg) einen Hinweis auf die eigene Gesinnung geben.
Angriffe und Verschwörungen
Noch viel problematischer wird es, wenn rechtsextreme Spieler*innen diese ausschließlich selbstpräsentierende Welt verlassen und ihr Gedankengut in ihrem Verhalten gegenüber anderen Personen ausdrücken. Dieses besteht nämlich in der Diskriminierung und Ausgrenzung anderer: Antisemitismus, Rassismus oder Antifeminismus stehen hierbei an der Tagesordnung. Sie sind Hauptbestandteil rechtsextremer Agenden – eine Grundannahme, dass bestimmte Personengruppen weniger wert sind als andere ist schließlich Grundlage rechten Hasses. Diese Ausgrenzung kann ganz offen und oft ohne Widerstand geschehen, etwa durch das Reproduzieren gängiger sexistischer und rassistischer Klischees, die immer noch als „Allgemeinwissen“ oder anekdotisch gut genug belegte „Meinung“ von vielen Spieler*innen kommentarlos hingenommen werden. Darunter zählt die Mär vom Fake-“Gamergirl“, das nicht spielen kann, sondern nur Jungs beeindrucken will, oder der Asiate, gegen den man sowieso immer verliert, weil er den ganzen Tag nur vorm PC sitzt oder Teil einer E‑Sports-Liga ist, die er nicht preisgibt.
Hass wird also auch dort in Argumente verpackt, wo er für Menschen ohne rechte Tendenz vermeintlich nicht einmal im Ansatz hineinpasst. Oft passiert das, indem eine “passende” Verschwörungstheorie an das entsprechende Thema gekoppelt wird, wie der irrige Glaube, die Videospielindustrie sei gegenüber einer finanziell einflussreichen „Social Justice Warrior“-Lobby eingeknickt. Solche Behauptungen werden sowohl innerhalb von Videospielen selbst (z.B. durch hasserfüllte Chatnachrichten oder massenhafte Meldungen in Reportfunktionen) geteilt als auch außerhalb durch das Verbreiten von Hasskommentaren in Debatten über Videospiele. So zeigte sich etwa bei der Debatte um weibliche Generäle bzw. Soldatinnen in Battlefield 1 und Rome II strukturierter Antifeminismus, der unter dem Deckmantel historischer Authentizität rechtsextremes Gedankengut verbreitete. Dasselbe galt ebenfalls bei der Debatte um die Darstellung des “weißen” Mittelalters in Kingdom Come: Deliverance, in welcher aktiv argumentiert wurde, warum es gut und richtig sei, dass in diesem Spiel keine Menschen mit dunkler Hautfarbe auftreten.
Nur ein Ausblick
Die Formen virtuellen Rechtsextremismus‘ sind vielfältig und oftmals auch nicht immer sofort zu erkennen. Dadurch bieten sich Rechtsextremen verschiedene Wege, eigene Kommunikationsräume zu schaffen und gezielt um Unterstützung der eigenen Ideologie zu werben. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, sich Faschist*innen klar entgegenzustellen, wo man sie erkennt. Dieser Artikel liefert einen kurzen Abriss dessen, was Hasstreibende in Online-Communiys, Foren und auf Social Media-Plattformen aus- und erkennbar macht. Er soll als Start dienen, nicht als vollumfassender Leitfaden zur Bestimmung. Die Formen des Hasses sind vielfältig, wandeln sich mit den technischen Möglichkeiten und sind oft nur mit einem geübten Auge zu erkennen. Wir bleiben wachsam, um für eine vielfältige Gamingkultur zu einzustehen und Hass aus unseren Gemeinschaften zu verbannen. Und wir hoffen, dass ihr das mit diesem Anstoß ebenfalls tut.
Körner, Erik: Das Spiel mit Rechts. 2020. akduell.de. (https://www.akduell.de/home/schwerpunkt/das-spiel-mit-rechts)
Rödl, Jakob: Rechtsextremismus in Onlinegames. 2014. Spieleratgeber-nrw.de. (https://www.spieleratgeber-nrw.de/Rechtsextremismus-in-Onlinegames.3811.de.1.html)
Schwarz, Karolin: Rechter Hass und die Gaming-Kultur. 2020. Netzpolitik.org. (https://netzpolitik.org/2020/rechter-hass-und-die-gaming-kultur-hasskrieger-karolin-schwarz/)
Smarzoch, Raphael: „Rechtsextreme profitieren von unmoderierten Plattformen“ – Christian Huberts im DLF Corso. 2020. deutschlandfunk.de. (https://www.deutschlandfunk.de/radikalisierung-durch-computerspiele-rechtsextreme.807.de.html?dram:article_id=466275)
Stendera, Karolin: „Weniger über Überwachung reden“ – Pia Stendera im Interview mit Jörg Friedrich. 2019. Taz.de. (https://taz.de/Spieleentwickler-ueber-Rechtsextremismus/!5633920/)