In diesem Beitrag stellen wir drei Quellen aus unserem Netzwerk vor, die die Taktik des Review-Bombing beleuchten.
Wenn sich Gruppen online gezielt dazu zusammenfinden, um mithilfe einer Masse schlechter Bewertungen bestimmter Werke wie Filmen oder Videospielen deren Entwicklern zu schaden, nennt man das Review-Bombing. Die Gruppen organisieren sich in Foren und über Dienste wie Discord, besprechen dort ihre nächsten Ziele und ihre Attacken. Der Grund für diese Aktionen sind in in der Regel allerdings nicht die nachvollziehbaren Fälle, in denen Videospiele zum Beispiel durch Abstürze oder invasiven Kopierschutz unspielbar werden (auch wenn dies wie bei DOOM Eternal geschehen durchaus ebenfalls passiert), da die negativen Bewertungen dort eher individueller Natur wären und keiner Absprachen bedürften. Am häufigsten erklärt sich beim Review Bombing vermeintlich im Namen der Demokratie eine kleine Gruppe von Personen zur „Stimme des Volkes“, die den Status Quo aufrecht erhalten möchte. Das geschieht besonders oft, um eine den Spielemacher*innen unterstellte linke politische Agenda abzuwerten.
Die Kritik, die solche Review Bombings beinhalten, hat nur selten mit dem Spiel selbst zu tun, sondern bezieht sich regelmäßig auf eine vorgeworfene sogenannte „Political Correctness“, einem Schlagwort der politisch Rechten, unter das jegliche Darstellung von gesellschaftlichen Verhältnissen fällt, die vom gewünschten, sehr konservativen Bild der Gruppe abweicht. Oftmals wird der Wunsch nach historischer Korrektheit geäußert, jedoch wird dabei sehr schnell offensichtlich, dass diese besonders von frauenfeindlichem und rassistischem Gedankengut getragen wird. Andere historische „Inkorrektheiten“ sind vielen Review-Bombern nicht nur unwichtig, sie lehnen ein wissenschaftliches Geschichtsbild regelrecht ab, wie man am beschriebenen Beispiel von Total War: Rome II, aber auch Battlefield V sehen kann. Geschichte ist kein statischer Wert, sondern ein anhaltender Aufarbeitungsprozess. Natürlich wird das eigene Authentizitätsgefühl einer Darstellung auch stark durch konsumierte Medien geprägt und einmal internalisiert, fällt es schwer, das eigene Geschichtsverständnis zu ändern – aber genau das wäre wichtig, um aus einer inzwischen überholten Ansicht der Vergangenheit herauszukommen.
Selbstverständlich stünde jede*m frei, ein Spiel, das nicht gefällt, einfach nicht zu kaufen, was sicherlich auch einige tun. Review-Bombern ist das allerdings nicht genug, denn sie möchten die von ihrer Meinung abweichende Darstellung unterbinden. Sie möchten den Entwickler*innen mit ihren massenhaften schlechten Bewertungen den größtmöglichen Schaden zufügen, an einem klärenden Diskurs besteht kein Interesse. Wie man am besten mit solchen als Kritik getarnten Hasskommentaren umgeht, erläutert Aurelia Brandenburg in ihrem Artikel „Es geht nicht um Fakten: Warum man reaktionäre Nerds nicht aufklären kann und soll“.
- Brandenburg, Aurelia. Es geht nicht um Fakten. Warum man reaktionäre Nerds nicht aufklären kann und soll. 2018. Geekgefluester.de. (https://geekgefluester.de/es-geht-nicht-um-fakten-warum-man-reaktionaere-nerds-nicht-aufklaeren-kann-und-soll-rome-2-review-bombing)
- Hennig, Björn. Rechte Agenda unter dem Mantel historischer Korrektheit. 2018. videospielhistoriker.wordpress.net. https://videospielhistoriker.wordpress.com/2018/09/27/rechte-agenda-unter-dem-mantel-historischer-korrektheit-mein-beitrag-zur-debatte-um-weibliche-generaele-in-total-war-rome-ii/
- Wagner, Pascal. Spiele an der Wahlurne. 2020. Languageatplay.de. (https://languageatplay.de/2020/01/27/spiele-an-der-wahlurne-demokratie-in-videospielen-und-der-industrie/)