They’re not the resis­tance any­more, if they ever were. They’re not under­ground. They’re not alter­na­tive. They’re just the right. They’re just the same old right…

Lau­rie Pen­ny im Gespräch mit Aman­da Mar­cotte, August 2017

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Teil 1: Wie ein rach­süchtiger Ex einen dig­i­tal­en Mob lostritt

Teil 2: Die Allianz der Anti-Feministen

Teil 3: Von Gamer­Gate zur Politik

Gamer­Gate Memes; Quelle: Google Image Search.

Hin­weis: Auf­grund recht­sex­tremer Inhalte ist es vielfach nicht möglich auf Orig­i­nalquellen zu verlinken. 

Pop­kul­tur war immer poli­tisch. Was die soge­nan­nten Cul­ture Wars (das sich ins Deutsche nur sehr unge­nau mit “Kul­turkriege” über­set­zen lässt) von der poli­tis­chen oder poli­tisiert­er Pop­kul­tur etwa der 60er oder 70er unter­schei­det, ist die Vorstel­lung, dass die Pop­kul­tur an sich zu einem Schlacht­feld gewor­den ist, auf dem es darum geht, einen Geg­n­er zu besiegen. Jedes pop­kul­turelle Werk, jedes Videospiel, jed­er Film, Serie, jedes Buch oder Musik­stück wird in dieser Vorstel­lung gle­icher­maßen zur poten­tiellen Waffe, die man dem Feind nicht über­lassen darf.

Inner­halb der Cul­ture Wars kann man deswe­gen Gamer­Gate als eine Kam­pagne ver­ste­hen. Dabei ist Gamer­Gate wed­er der Anfang der Cul­ture Wars noch ein Einzelfall.  Bere­its 2008 wurde die Spieleen­twick­lerin Kathy Sier­ra durch einen koor­dinierten, recht­en Mob online ange­grif­f­en. 2012 wurde die fem­i­nis­tis­che Youtu­berin Ani­ta Sar­keesian zur Zielscheibe eines Online-Mobs, weil sie es wagte, eine Vide­o­r­ei­he zur fem­i­nis­tis­che Analyse von Videospie­len zu pla­nen. Diese Vor­fälle waren nur die Spitze des Eis­bergs. In bei­den Fällen wurde nicht nur ähn­liche Strate­gien wie im Falle von Gamer­Gate ver­wen­det, es waren teil­weise auch diesel­ben Akteure maßge­blich an der Organ­i­sa­tion und Auf­s­tachelung des Mobs beteiligt.

And then there’s the pre­tense that this is a new prob­lem, as though the same names aren’t show­ing up over and over again, whether as direct harassers, or as coy ring­lead­ers of harass­ment point­ing would-be min­ions to the next tar­get. This week’s harass­er is next week or next month’s well-known leader of harassers.

Mik­ki Kendall, The Harass­ment Game, Feb­ru­ar 2015

Auch die ide­ol­o­gis­che Begrün­dung für diese Angriffe sind immer fast gle­ich geblieben: Antifem­i­nis­mus, der als ange­bliche “Vertei­di­gung” kon­ser­v­a­tiv­er, männlich geprägter Räume dargestellt wird, selb­st wenn diese Räume nicht zwin­gend kon­ser­v­a­tiv oder männlich waren. Gamer­Gate ist hier­bei nur Aus­druck und Teil eines reak­tionären Back­lash, der sich gegen die Aktiv­ität und Präsenz von Frauen und Min­der­heit­en in der Pop­kul­tur wendet.

Trotz­dem ist Gamer­Gate ein wichtiger Ori­en­tierungspunkt, weil es 2014 mit Abstand die größte der­ar­tige Kam­pagne bildete und ihr erst­mals der Über­gang in den Main­stream gelang. Deshalb haben viele heutige rechte Bewe­gun­gen die Strate­gien und Meth­o­d­en von Gamer­Gate über­nom­men.

Populismus in der Popkultur

Aus­gangspunkt solch­er Bewe­gun­gen ist dabei immer ein pop­ulis­tis­ch­er Appell, der auf den ersten Blick unverdächtig wirkt und sich poli­tisch nicht genau einord­nen lässt. Im Falle von Gamer­Gate war dies der Mythos, dass es sich um eine “Kon­sumenten­re­volte” han­dele, die sich um “Ethics in Video Games Jour­nal­ism” bemühen würde: Wer kön­nte schon etwas dage­gen einzuwen­den haben, dass Jour­nal­is­ten, die über Videospiele bericht­en, sich an ethis­chen Prinzip­i­en hal­ten sollten?

Die pop­ulis­tis­chen Slo­gans und Forderun­gen sollen bewußt davon ablenken, dass sie (im Fall von Gamer­Gate) auf Falschaus­sagen von rach­süchti­gen Ex-Part­nern basieren oder Per­so­n­en ange­grif­f­en wer­den, die mit dem vorge­blichen Ziel nichts zu tun haben. Denn es geht darum mögliche Sym­pa­thisan­ten zu rekru­tieren und sie mit eigens pro­duziertem Pro­pa­gan­da­ma­te­r­i­al abzu­lenken. Undurch­schaubarkeit und schw­er nachzu­vol­lziehende Wech­sel der Argu­mente sind dabei Teil der Strate­gie, um Sym­pa­thisan­ten bei der Stange zu hal­ten. Wenn Lügen von Tat­sachen nicht zu unter­schei­den sind, dann sind “Normies”, also ‘nor­male’ Men­schen ohne Investi­tion in eine der Kon­flik­t­parteien, dazu bere­it, den Lügen eine Chance zu geben und kön­nen gegebe­nen­falls rekru­tiert werden.

YOU HAVE TO REMEMBER THAT THE NUMBER ONE WAY TO SPREAD PROPAGANDA, POLITICALLY SPEAKING, IS TO LEGITIMIZE A LIE AS BEING A „SIDE” OF AN ARGUMENT, AND THEN YOU CAN JUST APPEAL TO THE EMOTIONAL SUBTEXT OF THOSE WHO ARE MOST LIKELY TO BELIEVE THAT EMOTIONAL TRUTH UNDERNEATH IT. AS SUCH, THE LIE BECOMES A WEAPON.

Film Crit Hulk, On Despair, Gamer­Gate and Quit­ting, Okto­ber 2014

Dabei wird immer auch gerne auf eine Tech­nik namens “DARVO” zurück­ge­grif­f­en: Leug­nen, angreifen, die Rollen von Angreifer und Vertei­di­ger ver­tauschen. Im Kon­text von Gamer­Gate zeigt sich dies am deut­lich­sten in den Angrif­f­en auf Jour­nal­is­ten (Leigh Alexan­der, Jenn Frank und weit­ere), die es wagten, die Bewe­gung zu the­ma­tisieren und den Het­z­mob als solchen zu ent­lar­ven. Nicht der von den Gamer­Gatern gener­ierte Shit­storm und ihre Angriffe auf Opfer waren nun der Skan­dal, son­dern die Tat­sache, dass es Jour­nal­istin­nen wagen kon­nten, auf den Shit­storm hinzuweisen. Die bloße Tat­sache, dass viele das Ver­hal­ten der Gamer­Gater für ver­ab­scheuungswürdig hiel­ten und es verurteil­ten, war nun Beweis genug für eine Ver­schwörung und ein weit­er­er Baustein in der bewußt ver­wirren­den Mytholo­gie, die die Bewe­gung um sich herum aufbaute.

Die Rekru­tierung von “Normies” ver­fol­gt dabei zugle­ich kurz- wie auch langfristige Ziele.

Gamification of harassment

Das per­fide an der Rekru­tierungsstrate­gie von Gamer­Gate und ver­gle­ich­baren reak­tionären Bewe­gun­gen ist die extrem niedrige Ein­stiegss­chwelle, die dazu führen kann, dass man sich nicht ein­mal dessen bewußt ist, dass man sich an der Het­ze des Mobs beteiligt.

Die offen­sichtlich­ste Form davon ist das “Ich stelle nur eine Frage” (“Just ask­ing ques­tions” oder nach einem Car­toon auch als “Sealion­ing” beze­ich­net), in dem jed­er poten­tielle Sym­pa­thisant dazu aufge­fordert wird, einem Ziel der Kam­pagne eine spez­i­fis­che Frage zu einem (ange­blich) inkri­m­inierten Sachver­halt zu stellen, um damit die “Wahrheit” zu offenbaren.

Jede einzelne Frage mag dabei harm­los erscheinen, trägt aber zu ein­er Flut von Online-Nachricht­en bei, die das Opfer über­fluten und deren Kom­mu­nika­tion, beziehungsweise Präsenz auf Social-Media-Plat­tfor­men unmöglich machen soll. Auch wenn hier­bei gerne vorgegeben wird, dass die Fra­gen­den an ein­er Debat­te oder der Wahrheit inter­essiert seien, geht es im Kern doch nur darum, Debat­ten und Diskus­sio­nen zu ver­hin­dern und das Opfer mund­tot zu machen. Dieser Effekt wird als “Dog­pil­ing” beze­ich­net. Selb­st der Präsi­dent der USA macht inzwis­chen gerne von dieser Tech­nik Gebrauch.

Gamer­Gate nutzt aus­giebig solche nieder­schwelli­gen Her­aus­forderun­gen, wie auch das Benutzen von spez­i­fis­chen Hash­tags oder das Senden von Emails. The­o­retik­er der Spiel­e­branche fiel schnell auf, dass dies zur “Gam­i­fi­ca­tion” des Mobs beitrug: Die Beteili­gung wurde zu einem Spiel, an dem man sich gemein­sam mit ein­er Gruppe gle­ich­gesin­nter “Mit­spiel­er” jed­erzeit beteili­gen kon­nte. Dieser Ansatz hat sich inzwis­chen weit­er ver­bre­it­et und es ist sicher­lich kein Zufall, dass die inzwis­chen weit ver­bre­it­ete, recht­sradikale QAnon-Ver­schwörungside­olo­gie nicht nur ihre Heimat auf der Gamer­Gate-Plat­tform 8chan hat, son­dern eben­falls von der Gam­i­fi­ca­tion ihrer The­o­rien lebt.

Verschwörungsideologien

In dem Maße in dem Gamer­Gate über seine ursprünglichen pop­ulis­tis­chen Forderun­gen hin­aus­ging, offen­barte sich der ver­schwörungside­ol­o­gis­che Kern der Bewe­gung. Am offen­sichtlich­sten zeigte sich dieser in der ange­blichen Kom­plizen­schaft der Jour­nal­is­ten, die sich um die “Gamers are dead”-Artikel rank­te: Für Gamer­Gater war hier immer ein geheimer Zirkel von Medi­en­schaf­fend­en am Werk, der in gemein­samer Absprache alle “Gamer” angreifen und ver­nicht­en wollte.

Der Grund für die geheimen Verabre­dun­gen der Videospiele­jour­nal­is­ten sei der “Kul­tur­marx­is­mus” (“cul­tur­al marx­ism”). Diese bei Recht­sex­tremen weit ver­bre­it­et Ver­schwörungserzäh­lung, die um die philosophis­che Bewe­gung der Frank­furter Schule herum gestrickt wurde, bildet für Gamer­Gater das ide­ol­o­gis­che Grundgerüst und “ent­larvt” die geheimen Strip­pen­zieher im Hin­ter­grund, die es zu bekämpfen gilt.

This what 1984 looks like, folks. Yes, the peo­ple who are behind all this cen­sor­ship are cul­tur­al marxists.

Sneaky­wi­ki im Gamer­Gate-Sub­red­dit KotakuIn­Ac­tion, Dezem­ber 2014

Die Nar­ra­tive von den geheimen Organ­i­sa­tio­nen, die die beste­hende Ord­nung bedro­hen und bekämpft wer­den müssen, ist ein weit ver­bre­it­etes Muster der meis­ten recht­sradikalen Ide­olo­gien. Eben­so wie die Tat­sache, dass diese geheimen Organ­i­sa­tio­nen zugle­ich unglaublich mächtig sind, weil sie die Welt im Hin­ter­grund steuern, aber gle­ichzeit­ig auch unglaublich schwach, weil sie mit ein­fach­sten Mit­teln ent­tarnt und damit neu­tral­isiert wer­den können:

The fol­low­ers must feel humil­i­at­ed by the osten­ta­tious wealth and force of their ene­mies. […] How­ev­er, the fol­low­ers must be con­vinced that they can over­whelm the ene­mies. Thus, by a con­tin­u­ous shift­ing of rhetor­i­cal focus, the ene­mies are at the same time too strong and too weak.

Umber­to Eco, Ur-Fas­cism, Juni 1995

Im Falle von Gamer­Gate waren diese omnipo­ten­ten Feinde natür­lich über­all in der Pop­kul­tur zu find­en: Feminist*innen kol­la­bori­eren mit Spieleentwickler*innen, um Gamer aus den Videospie­len zu vertreiben; die Lieblings­filme der Nerds wer­den von der linken Hol­ly­wood-Elite zer­stört; Heavy Met­al wird zen­siert und ver­boten; Sci­ence-Fic­tion-Lit­er­atur von mul­ti-kul­tureller Diver­sität bedro­ht; Comics wer­den von poli­tis­ch­er Kor­rek­theit bedro­ht und so weiter.

Nur, wer ein Teil der Bewe­gung wird, kann dies ver­hin­dern. Auch wenn sie immer wieder behauptet, dass sie sich nur vertei­di­gen würde: Die Bewe­gung zielt natür­lich darauf ab Poli­tik zu machen.

Rechte Politik

Es sollte deswe­gen nie­man­den über­raschen, dass Gamer­Gate sein­erzeit in Deutsch­land die Unter­stützung der AfD gefun­den hat. Die Cul­ture Wars sind längst bei uns angekommen.

Doch vor allem die Wahl Don­ald Trumps war und ist Aus­druck von Gamer­Gates Reich­weite. In den USA wies eine ganze Rei­he an Analy­sen auf diesen Zusam­men­hang hin: Von dem war­nen­den “Don­ald Trump is the Gamer­gate of Repub­li­can pol­i­tics” bis zu dem tri­um­phieren­den “How Gamer­gate Elect­ed Don­ald Trump to the White House (And Saved the Free World)” waren sich die Ver­fass­er einig, dass Gamer­Gate – in welch­er Form auch immer – zum Wahlsieg Trumps beige­tra­gen hat.

Steve Ban­nons Plan, die vor Wut schäu­menden Gamer zur Jugen­dor­gan­i­sa­tion von Don­ald Trumps Wahlkam­pagne zu machen, war aufgegangen.

Amer­i­ca did not put Gamer­gate in the White House; Gamer­gate put Trump in the White House. With­out many of them even real­iz­ing it them­selves, gamers were the force that took God-Emper­or Trump from the world of memes and made it into a reality.

Mau­rice Mon­taigne, How Gamer­Gate Elect­ed…, Novem­ber 2016

Im Schat­ten der poli­tis­chen Erfolge und dem anschließen­den Abwan­dern der Köpfe in ein­flussre­ichere Organ­i­sa­tio­nen blieben die Net­zw­erke und Foren der Bewe­gung den­noch weit­er­hin beste­hen, nicht zulet­zt weil poli­tis­che Akteure immer noch Inter­esse daran haben sie weit­er zur Rekru­tierung zu nutzen. Spo­radisch wer­den sie auch noch aktiv, vor allem wenn es darum geht erneut ihre ursprünglichen Ziele (Zoe Quinn, Ani­ta Sar­keesian,…) zu ver­fol­gen und zu belästigen.

Den­noch hat sich Gamer­Gate, wie viele Bewe­gun­gen ohne klare Führungs­fig­uren und Struk­turen, weitest­ge­hend aufges­pal­ten. Anstelle ein­er einzel­nen geschlosse­nen Bewe­gung gibt es nun viele einzelne Kam­pag­nen: Diese reicht von Comic­s­Gate, zu den “SJW Cringe com­pi­la­tions” auf Youtube, Boykot­taufrufen gegen Mar­vel-Filme (“Cap­tain Mar­vel”), der kün­stlichen Aufre­gung um eine muskulöse Frau in dem Videospiel “The Last of Us – Part 2” oder den frauen­feindlichen Beläs­ti­gung von ange­blichen “Tit­ty Stream­ern” auf der Plat­tform Twitch.

Ziel all dieser meist anti-fem­i­nis­tis­chen Aktio­nen ist immer das Pub­likum let­z­tendlich für rechte bis rechts-extreme Poli­tik zu gewin­nen. Auch wenn das Konzept der Cul­ture Wars vie­len noch fremd erscheinen mag, so haben die poli­tis­chen Akteure im recht­en Spek­trum schon lange erkan­nt, dass der rechte Mythos sich gegen äußere Feinde vertei­di­gen zu müssen, auch auf die Pop­kul­tur über­trag­bar ist.

In der Vorstel­lung der recht­sradikalen Vor­denker ist deswe­gen seit Gamer­Gate die Frage, ob die meist männlichen, weißen Jugendlichen Videospiele gegen Fem­i­nistin­nen “vertei­di­gen” oder etwa ihr Land gegen Migrant*innen let­z­tendlich nur eine um das Maß an Radikalisierung.

Nur wenn die demokratis­che Gesellschaft ver­ste­ht, wie die Stim­mungs­mache, Rekru­tierung und Radikalisierung in dig­i­tal­en Räu­men funk­tion­ieren, kann sie eine geeignete Antwort darauf finden.

Karolin Schwarz, Has­skrieger, Feb­ru­ar 2020

Weit­er­führende Artikel etc.